2022 wird unser Jahr: Vier Erfolgsgeschichten zum Jahreswechsel

Ein Polizist, eine Designerin, ein Sporttalent und zwei Start-up-Gründer erzählen, warum sie sich auf das neue Jahr besonders freuen.

Von Ingrid Teufl, Elisabeth Kröpfl, Valerie Krb, Julia Pfligl

Pessimismus ist out. Wer in Ratgeberliteratur nachschlägt, erfährt dort Dinge wie: „Positives Denken macht erfolgreich“. Oder: „Mit Optimismus kann man seine Ziele erreichen“. Das klingt gut, stimmt aber nicht ganz. Tatsächlich können uns positive  Zukunftsgedanken sogar daran hindern, wie Psychologin Gabriele Oettingen in ihrer Forschung herausfand. 

Oettingen ist Professorin an der New York University und Universität Hamburg und untersucht seit 20 Jahren, wie sich Zukunftsdenken auf unser Leben auswirkt. Und welche Strategien dazu führen, Ziele zu erreichen. „Wer sich die Zukunft rosig ausmalt, fühlt sich zwar für den Moment wohl. Aber man strengt sich weniger an, die Ziele tatsächlich umzusetzen“, sagt sie zum KURIER. 

Von Beruf bis Liebe

Das zeigte sich bei ihren  Studien sowohl in Bewerbungsprozessen von Hochschulabsolventen, als auch bei Verliebten, die hofften, mit ihrer Flamme zusammenzukommen. Und sogar bei Patienten nach Hüft-Operationen, wobei jene, die  sich in ihren Zukunftsträumereien vorstellen, schnell zu genesen, es in Wirklichkeit dann langsamer taten. 

Ein Comeback des Pessimismus also? Nein. Oettingen: „Man sollte  Zukunftsträumereien  gedachte Realität zur Seite stellen.“ Das heißt, zu identifizieren, welche Hindernisse es auf dem Weg zur Wunscherfüllung gibt. So versteht man, dass man noch nicht angekommen ist und gewinnt die notwendige Energie zu Umsetzung.

Diesen Realismus empfiehlt auch Psychologe Arnd Florack von der Universität Wien. „Ziele erreicht man nicht alleine mit Willenskraft und Durchhaltevermögen. Der Schlüssel ist, sich darauf vorzubereiten, dass es Frustrationen geben wird.“  

Hindernis Pandemie?

Was aber, wenn die Hürde eine Pandemie ist? „Äußere Umstände können wir nicht verändern, sondern nur, wie wir damit umgehen“, sagt Oettingen. Es bringe  nichts, nur nachzudenken, was wegen der Pandemie nicht gehe. Sondern, welche Wünsche  man sich in diesem Rahmen erfüllen kann. „Das sind sicher andere, als vor der Pandemie. Aber auch diese gilt es zu entdecken.“ Wir haben fünf Menschen  zu ihren Hoffnungen, Projekten und Zielen befragt.  Hier die Porträts.

Dominik Supper: Ein zweites Leben nach dem Tumor

Montag und Dienstag. Das werden jede Woche besondere Tage sein, und Dominik Supper freut sich schon darauf. Er wird diese Tage  zur Gänze seinen beiden Töchtern, fünfeinhalb und knapp zwei Jahre alt, widmen. 2022 wechselt der 37-Jährige in die Teilzeit und will sich beruflich ein zweites Standbein schaffen.

Der Auslöser dafür liegt fast fünf Jahre zurück. Am 2. März 2017  änderte sich das Leben des damaligen Exekutivbeamten von einer Minute auf die andere. Wo genau er tätig war, möchte er aus Sicherheit für die ehemalige Abteilung nicht sagen. Nur so viel: „In einem Bereich, wo man besonderen Gefahren ausgesetzt ist.“ Während eines solchen Einsatzes wurde er plötzlich ohnmächtig. Der folgende Gesundheitscheck ergab: ein faustgroßer Gehirntumor. Bösartig. „Als – vermeintlich – kerngesunder Mensch war ich mit einem Schlag schwer krank.“ Seine ältere Tochter war damals gerade acht Monate alt. 

Fokussierter Blick: Dominik Supper will 2022 mehr fotografieren

©Kurier/Franz Gruber

In den nächsten Monaten folgten eine schwere, mehrere Stunden dauernde Operation, eine kombinierte Strahlen-Chemo-Therapie und danach mehrere Chemo-Zyklen. Vor allem Letztere beschreibt Supper rückblickend als „qualvoll“. Danach war der 1,68 große Mann von 66 auf 56 Kilogramm abgemagert. 

Dominik Supper: Aufgeben? Niemals

Aufgeben war  trotz allem keine Option. „Ich habe immer das Gute gesehen.“ Das war neben seiner Familie auch seine Leidenschaft für Sport, den er wieder ausüben wollte. „Nach meiner Diagnose habe ich mir gedacht: Ich belohne mich jetzt einmal selber und leiste mir einen Titan-Fahrradrahmen.“ Das  ist so etwas wie ein Ferrari unter den Fahrrädern. Dazu trainierte er viel und schwimmt.

Nach zwei Jahren Krankenstand wechselte er, da „nicht mehr exekutivtauglich“, als Referent ins Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Traiskirchen. Und er begann, auf einer Homepage über seine Krankengeschichte (www.dominik-supper.net) zu schreiben. Der Hauptgrund: „Anderen Betroffenen und Angehörigen Hoffnung geben. Leider sind positive Berichte über Hirntumore eher eine Seltenheit.“

Seine Leidenschaft für den Sport hat Dominik Supper geholfen

©Kurier/Franz Gruber

In seinen Texten beschönigt Dominik Supper nichts, schreibt offen über „alle Höhen und Tiefen“ seiner Erkrankung. Damit traf er  einen Nerv: „Mittlerweile wird die Homepage in Kliniken und in Reha-Einrichtungen weiterempfohlen.“ Dass sie anderen hilft, empfindet der Genesene als „gutes Gefühl“. 

Dass die Krankheit jederzeit wieder auftreten könnte, bleibt dennoch im Hinterkopf. „So oder so wird sicher wieder irgendetwas kommen, das einen aus der Bahn wirft“, sagt er. Und grinst. „Spätestens, wenn meine Mädchen in die Pubertät kommen.“ Die Interessen und der Blick aufs Leben haben sich deutlich verlagert. „Ich mache nur noch das, was mir wirklich Freude macht.“ Dazu zählt das Fotografieren, das er 2022 auch zum   beruflichen Standbein ausbauen will.  

Florentina Leitner: Von Mödling in den Modehimmel

Im Jahr 2020 wurde sie von der Vogue als „eines der spannendsten deutschsprachigen Mode-Talente“ bezeichnet. Ein Jahr später hat sich die österreichische Jungdesignerin Florentina Leitner bereits international einen Namen gemacht: Ihre Kollektionen sind auf den großen Laufstegen der Welt zu sehen; Modevorbilder wie Kylie Jenner und Lady Gaga tragen ihre Designs.

Jungdesignerin Florentina Leitner präsentiert im Februar in London ihre neue Kollektion

©Tim Sonntag

„Obwohl die Pandemie viel verändert hat, war 2021 für mich ein sehr gutes Jahr“, resümiert die gebürtige Niederösterreicherin. Nach ihrem Masterabschluss an der Antwerpener Königlichen Akademie der schönen Künste arbeitet Leitner als Designerin im belgischen Luxus-Modehaus Dries van Noten.

Im Dezember 2020 gründet die 25-Jährige ihr eigenes Modelabel, bereits im Februar präsentiert sie  ihre Herbst/Winter-Kollektion im Rahmen der New York Fashion Week – pandemiebedingt jedoch  in digitaler Form. Letzten September eröffnet Leitner mit ihrer Spring/Summer-Kollektion „Vacation on the Moon“ die Fashion Week Berlin und entführt das Modepublikum auf eine intergalaktische Reise mit Blick auf ihre österreichische Heimat.

Florentina Leitner: Feminin & extravagant

Ihre Mode beschreibt Leitner als farbenfroh, verspielt und extrovertiert. In ihren Entwürfen kombiniert sie Farben, ausgefallene Muster und elegante Schnitte. „Vor allem meine Floral-Prints, die an optische Täuschungen erinnern, haben einen sehr hohen Wiedererkennungswert. Eine Frau, die meine Kreationen trägt, ist sehr feminin und girly“, so Leitner.

2021 präsentierte Florentina Leitner in New York und Berlin

©Anton Fayle

Auch Nachhaltigkeit wird in dem jungen Label großgeschrieben: Bei den Stoffen setzt Leitner auf recycelte und verantwortungsvoll produzierte Textilien sowie Restmaterialien von großen Firmen: „Früher wurden Stoffreste für gewöhnlich weggeworfen, aber für kleinere Unternehmen wie meines reichen auch zehn Meter Stoff noch für einige Stücke.“

Auch für 2022 hat Leitner große Pläne. Aktuell arbeitet sie an ihrer nächsten Herbst-Winter-Kollektion; im Februar wird sie auf der London Fashion Week präsentiert. Ob vor Ort oder in digitaler Form, ist pandemiebedingt noch nicht klar: „Das letzte Jahr hat gezeigt, dass in letzter Minute alles abgesagt werden kann. Daher bereiten wir auf jeden Fall auch eine digitale Show vor, hoffen aber, dass ein kleines Event stattfinden kann.“  

Für die Zukunft wünscht sich die Designerin, dass ihre Marke weiter wächst und auch international stärker vertreten ist. Auch in Österreich würde die Mödlingerin ihre Kollektionen in Zukunft gerne in größeren Kaufhäusern sehen. Derzeit sind sie in ihrem Onlineshop und im Shop des Wiener Retailers Wolfmich erhältlich. „Ich bin sehr glücklich, dass in diesem Beruf gerade alles sehr gut für mich läuft und hoffe, dass 2022 noch mehr Leute an mich und meine Kreationen glauben und sie weiterhin tragen wollen“, so Leitner.

Matter Svancer: Zuerst Olympia, dann Matura

Ausnahmetalent, Wunderkind, Olympiahoffnung: Die Sportpresse überschlug sich im vergangenen Jahr mit Bezeichnungen für den 17-jährigen Matej Svancer. Dabei ist Überschlagen normalerweise seine Stärke. Im Oktober feierte der  Pinzgauer im schweizerischen Chur seinen ersten Freestyle-Skiing-Weltcupsieg, sechs Wochen später gewann er auch den zweiten und letzten Big-Air-Bewerb der Saison – mit spektakulären Sprüngen, die noch keiner vor ihm gezeigt hatte.

Freestyler Matej Svancer springt mit Vorfreude ins neue Jahr

©Österreichischer Skiverband/Erich Spiess

„Ich kann es gar nicht glauben, es fühlt sich wie ein Traum an“, sagte Svancer nach seinem Triumph. 2022 geht der Traum weiter: Der Ski-Akrobat wird als österreichischer Mitfavorit bei den olympischen Winterspielen in Peking gehandelt. 

Dabei ist er erst seit einem knappen Jahr offiziell eingebürgert. 2013 übersiedelte seine Familie von Prag nach Kaprun, wo  Svancer eine Karriere als alpiner Skiläufer anstrebte. Als Schüler am Sportgymnasium in Saalfelden wechselte er zum Freestyle-Skiing, wurde kurz danach, mit 15 Jahren, Juniorenweltmeister. Dann, im vergangenen Oktober, der erste Weltcupbewerb.  Doppelter Salto, fünf Schrauben, 99 von 100 möglichen Punkten. „Ich wollte immer schon für Österreich fahren“, sagt er.   

Matter Svancer: Spaß und Spiele

Wie lautet sein Resümee nach diesem außergewöhnlich bewegten Jahr?  „2021 habe ich gelernt, dass alles möglich ist, wenn man es unbedingt schaffen will“, sagt der  Sportgymnasiast zum KURIER. Die richtige Mischung aus  Fleiß, Motivation und – ganz wichtig – Spaß sei sein Erfolgsrezept für alle Lebenslagen. „Das wünsche ich mir auch für das neue Jahr: dass ich gesund bleibe und den Spaß nicht verliere.“

2022 vertritt der Ski-Akrobat Österreich bei den olympischen Winterspielen in Peking

©APA/EXPA/STEFAN ADELSBERGER

Diesen lässt er sich auch vom medialen Druck nicht nehmen. „Ich freue mich sehr auf die Olympischen Spiele, das wird sicher eine  spannende Erfahrung. Meine Vorbereitung wird  in der Saison normal weiterlaufen, ich werde viel Zeit auf Ski, aber auch mit Freunden verbringen.“ 

Den Slopestyle-Bewerb im US-amerikanischen Mammoth im Jänner muss Svancer auslassen, da sich sonst – mit Olympia – zu viele Schul-Fehltage anhäufen würden. Die nahende Matura ist dem 17-Jährigen ebenso so wichtig wie Siege und Medaillen.   

Olympisches Edelmetall gleich bei der ersten Teilnahme? Es wäre eine Sensation, ist aber nicht das Hauptziel, sagt Svancer. „Mein Ziel in Peking ist, die Atmosphäre zu genießen, da ich durch die Schule sehr eingespannt bin und es nicht einfach ist,  alles unter einen Hut zu bekommen. Aber sicher will ich meine beste Leistung abrufen. Und vor allem Spaß haben.“ 

2022 blickt er aber nicht nur wegen sportlicher Höhepunkte mit viel Vorfreude entgegen. „Ich freue mich, dass ich den Führerschein geschafft habe und dadurch selbstständig geworden bin. Endlich kann ich überall Skifahren gehen, ohne dass ich jemandem zur Last falle.“

Mit 15 Jahren wurde Svancer Juniorenweltmeister

©EPA/CHRISTIAN MERZ

mjuks: vom Corona-Hobby zum Start-up

Es beginnt mit einem virtuellen Feierabendbier im März 2020 und endet nur etwas mehr als ein Jahr später im Launch der ersten eigenen Kollektion.

Jakob Hohenberger (26) und Gregor Kury (27) wollten Medizinerinnen und Mediziner in der Pandemie nicht nur beklatschen, sondern ihren Arbeitsalltag nachhaltig verbessern. Mit ihrem Start-up mjuks (dt. weich/zart) produzieren sie nachhaltige und modische Praxiskleidung.

Gründer Hohenberger und Kury produzieren nachhaltige Kleidung für Ärztinnen und Pfleger

©mjuks

„Medizinisches Personal ist eine Gruppe, die sich nie jemand angeschaut hat. Jeder Hobbyläufer ist besser ausgestattet als eine Krankenpflegerin“, erklärt Co-Gründer Gregor Kury. Zunächst aus lockdownbedingter Langeweile setzen sich Kury und Hohenberger erstmals mit medizinischer Bekleidung auseinander. In Zusammenarbeit mit über 100 Arzthelfern und Ärztinnen entstehen schließlich die ersten Entwürfe.

Auf anfängliche Euphorie folgen jedoch rasch die ersten Herausforderungen: Wegen langer Lieferverzögerungen verschiebt sich der Launch der ersten Kollektion drei Mal, 750 Meter bestellter Stoff entpuppen sich als zu durchsichtig, zwei Europaletten mit Ware lassen sich doch nicht so einfach in der Wohnung verstauen, wie gedacht. „Wir kommen beide aus der IT-Branche, keiner von uns kann eine gerade Naht nähen. Dementsprechend wussten wir am Anfang überhaupt nicht, was wir machen“, schmunzelt Kury rückblickend und gibt zu: „2021 war eine einzige Herausforderung.“

Bei der Gründung von mjuks half der ganze Freundeskreis mit

©mjuks

mjuks: Unter Freunden

Heute sind die mjuks-Gründer ein eingespieltes Team. Hohenberger und Kury kennen sich schließlich schon vom Fußballspielen in jungen Jahren. Nach ihrem Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien zog es beide in klassische Alltagsjobs:  Hohenberger war IT-Consultant, Kury arbeitete in einer Start-up-Investment-Firma. „Wir hatten nicht das Gefühl, etwas beizutragen und wollten ein eigenes sinnvolles Projekt starten“, sagt Kury heute.

Im Entstehungsprozess von mjuks half schließlich der ganze Freundeskreis mit. Eine Freundin kümmerte sich um das Design, ein befreundeter Fotograf lichtet die erste Kollektion ab. Jeder bringt die eigenen Fähigkeiten in das Projekt ein: „Jakob ist der Zahlenmensch und ich bin derjenige, der solange neue Ideen ausspuckt, bis er mich am Krawattl packt und sagt, dass wir jetzt erst mal das laufende Projekt zu Ende bringen“, lacht Kury.

Seit besagtem Feierabendbier hat sich bei den Erst-Gründern einiges getan. Im neuen Jahr kommen die ersten beiden fix angestellten Mitarbeiter; ab 1. Jänner geht es in das eigene Büro: „Dann muss nicht mehr das eigene Schlafzimmer voll mit Warenkartons sein“, freut sich Kury. Ihr Neujahrsvorsatz? „2022 möchten wir so viele Medizinerinnen und Mediziner wie möglich erreichen und all jenen etwas zurückgeben, die sich täglich um die Gesundheit anderer kümmern.“  

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