Sprüche über die mentale Gesundheit: Wenn das T-Shirt die Stimmung vorgibt
Phänomen. Mode mit Statements zur psychischen Gesundheit boomt – ein Experte sagt, warum das gut ist.
„Serotonin: Wenn du es nicht selbst produzieren kannst, kauf’s dir doch“: Nein, das ist nicht der Slogan einer Firma, die das Glückshormon in Pillenform aggressiv bewirbt – der Spruch ist (in englischer Sprache) neuerdings auf T-Shirts zu finden.
Ein Phänomen: Hoodies, Kappen, Sweater und Taschen mit Statements zum Thema psychische Gesundheit boomen. Botschaften wie „Spüre deine Gefühle“, „Mental Health Matters“ oder „Es ist okay, nicht okay zu sein“ wollen vor allem junge Menschen ermuntern, offen mit dem Thema umzugehen und sich zu zeigen.
Es geht um Selbstakzeptanz, Selbstfürsorge, und darum, einen Beitrag zur Entstigmatisierung zu leisten, um Personen mit psychischen Erkrankungen zu unterstützen. Zusammengefasst wird dieser Trend unter dem Begriff „Mental Health Merchandising“ auf Instagram und Tiktok mit dem Hashtag #mentalhealth verbreitet, sowie von Influencern, die auf diese Weise ihre eigene Geschichte erzählen.
Gegen das Stigma
Die Zahl der Firmen, die im Bereich „Mental Health Mode“ tätig sind, steigt. Manche verknüpfen ihr Tun mit Haltung und Engagement. Wie das US-Label „Own Your Stigma“, dessen Ziel es ist, das Gespräch über psychische Erkrankungen zu fördern, um „Scham, Negativität und Schuld“ zu eliminieren. Eine eigens gegründete Plattform unterstützt Betroffene beim Netzwerken, ein Teil der Einnahmen geht an Organisationen, die Menschen mit psychischen Erkrankungen helfen. Manche Labels greifen das Thema mit einem Augenzwinkern auf, etwa die Marke „Apt C3“, die mit Botschaften wie „Bitch, I’m in Therapy“ die Bedeutung eines Therapieprozesses unterstreichen möchte. Oder „Tired Girl Apparel“, mit Pullis für „pathologische Peoplepleaser“.
Luxusbrand & Spiritualität
Die Bandbreite reicht von großen Einzelhandelsketten wie Primark bis zur Luxusbrand Stella McCartney, das gemeinsam mit Deepak Chopra, Autor spiritueller Ratgeber, Produkte entwickelt, die die therapeutische Heilkraft von Pferden unterstützen – etwa mit der Limited-Edition ihrer legendären „Falabella-Bag“.
„Kleidung hat viel wichtigere Aufgaben, als uns nur warm zu halten; sie verändert unseren Blick auf die Welt und den Blick der Welt auf uns“, schrieb die Schriftstellerin Virginia Woolf. Mode dient dem Selbstausdruck, der Identität und der emotionalen Regulation. Dass Kleider Leute – und Stimmung – machen, ist also kein neues Phänomen. „Ebenso nicht, dass Jugendliche, mit Mode provozieren wollen“, so Univ.-Prof. Paul Plener, Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, MedUni Wien. Das sei keinesfalls besorgniserregend und halte das Thema psychische Gesundheit in der Öffentlichkeit.
Banalisierung?
Dass Mental-Health-Mode boomt, wundert Plener nicht: „Wir nehmen eine höhere Bereitschaft wahr, über psychische Gesundheit und psychische Erkrankung offen zu sprechen.“ Und ja, damit sei auch eine gewisse Banalisierung verbunden: „Ich denke an den Social-Media-Trend zur Selbstdiagnose psychischer Erkrankungen oder den Einfluss, den das Thema mentale Gesundheit auf die Jugendsprache hat – mit Begriffen, die sich an die Psychopathologie anlehnen.“ Dennoch sei zu akzeptieren, dass da gerade ein Phänomen in die Mitte der Gesellschaft vorrückt: „Offen über psychische Gesundheit zu kommunizieren, ist etwas, das wir uns immer schon gewünscht haben. Im Zuge dieses Wunsches müssen wir in Kauf nehmen, dass nicht alles trennscharf verwendet wird.“
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