Die Bereitschaft steigt, offen über psychische Gesundheit und Erkrankungen zu kommunizieren. Laut aktueller Jugendstudie wollen vor allem 16- und 17-Jährige darüber sprechen. (Bild: „Stay Wear“ erinnert an Selbstfürsorge)

Sprüche über die mentale Gesundheit: Wenn das T-Shirt die Stimmung vorgibt

Phänomen. Mode mit Statements zur psychischen Gesundheit boomt – ein Experte sagt, warum das gut ist.

„Serotonin: Wenn du es nicht selbst produzieren kannst, kauf’s dir doch“:  Nein, das ist nicht der Slogan einer Firma, die das Glückshormon in Pillenform aggressiv bewirbt – der Spruch ist (in englischer Sprache) neuerdings auf  T-Shirts zu finden.  

Ein Phänomen: Hoodies, Kappen, Sweater und Taschen mit Statements zum Thema psychische Gesundheit boomen. Botschaften wie „Spüre deine Gefühle“, „Mental Health Matters“ oder „Es ist okay, nicht okay zu sein“ wollen vor allem junge Menschen ermuntern, offen mit dem Thema umzugehen und sich zu zeigen. 

Es geht um Selbstakzeptanz, Selbstfürsorge, und darum,  einen Beitrag zur Entstigmatisierung zu leisten, um Personen mit psychischen Erkrankungen zu unterstützen. Zusammengefasst wird dieser Trend unter dem Begriff „Mental Health Merchandising“  auf Instagram und Tiktok mit dem Hashtag #mentalhealth verbreitet, sowie von Influencern, die auf diese Weise ihre eigene Geschichte erzählen. 

Gegen das Stigma

Die Zahl der Firmen, die im Bereich „Mental Health Mode“ tätig sind, steigt. Manche verknüpfen ihr Tun mit Haltung und Engagement. Wie  das US-Label „Own Your Stigma“, dessen Ziel es ist, das Gespräch über psychische Erkrankungen zu fördern, um „Scham, Negativität und Schuld“ zu eliminieren. Eine eigens gegründete Plattform unterstützt Betroffene beim Netzwerken, ein Teil der Einnahmen geht an Organisationen, die Menschen mit psychischen Erkrankungen helfen. Manche Labels greifen das Thema mit einem Augenzwinkern auf, etwa die Marke „Apt C3“, die mit Botschaften wie „Bitch, I’m in Therapy“ die Bedeutung eines Therapieprozesses unterstreichen möchte. Oder „Tired Girl Apparel“,  mit Pullis für „pathologische Peoplepleaser“.

„Tired Girl Apparel“ schafft Bewusstsein

©Hersteller

Luxusbrand & Spiritualität

Die Bandbreite reicht von großen Einzelhandelsketten wie Primark bis zur Luxusbrand Stella McCartney, das gemeinsam mit Deepak Chopra, Autor spiritueller Ratgeber, Produkte entwickelt, die die therapeutische Heilkraft von Pferden unterstützen – etwa mit der Limited-Edition ihrer legendären „Falabella-Bag“.

„Kleidung hat viel wichtigere Aufgaben, als uns nur warm zu halten; sie verändert unseren Blick auf die Welt und den Blick der Welt auf uns“, schrieb die Schriftstellerin Virginia Woolf.  Mode dient dem Selbstausdruck, der Identität und der emotionalen Regulation. Dass Kleider  Leute – und  Stimmung – machen, ist also kein neues  Phänomen. „Ebenso nicht, dass Jugendliche, mit Mode provozieren wollen“, so Univ.-Prof. Paul Plener, Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, MedUni Wien. Das sei keinesfalls besorgniserregend und halte das Thema psychische Gesundheit in der Öffentlichkeit. 

Banalisierung?

Dass Mental-Health-Mode boomt, wundert Plener nicht: „Wir nehmen eine höhere Bereitschaft wahr, über psychische Gesundheit und psychische Erkrankung offen zu sprechen.“ Und ja, damit sei auch eine gewisse Banalisierung verbunden: „Ich denke an den Social-Media-Trend zur Selbstdiagnose psychischer Erkrankungen oder den Einfluss, den das Thema mentale Gesundheit auf die Jugendsprache hat –  mit Begriffen, die sich an die Psychopathologie anlehnen.“  Dennoch sei zu akzeptieren, dass da gerade ein Phänomen in die Mitte der Gesellschaft vorrückt: „Offen über psychische Gesundheit zu kommunizieren,  ist etwas, das wir uns immer schon gewünscht haben. Im Zuge dieses Wunsches müssen wir  in Kauf nehmen, dass nicht alles trennscharf verwendet wird.“  

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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