50 Jahre erfolgreich gewickelt: Diane von Fürstenbergs Kultkleid
Vor 50 Jahren kreierte Diane von Fürstenberg ihr ikonischstes Kleidungsstück. Wie der Designerin der Durchbruch gelang und wieso das Wickelkleid auch heute in keiner klassischen Garderobe fehlt
Manche Modekreationen haben am Laufsteg ihren ersten und einzigen Auftritt; die clownesken Schuhe oder die eiförmigen Hüte der letztjährigen Fashion-Shows fanden im Alltag keine Abnehmer.
Andere Designs begleiten uns immer wieder für ein paar Jahre: Röhrenjeans sind gerade wieder out, dafür feiern Glockenhosen ein Comeback.
Doch dann gibt es jene Momente in der Modewelt, in denen ein Kleidungsstück präsentiert wird, das nicht nur sofort begeisterte Abnehmerinnen findet, sondern zum Kultobjekt avanciert.
1974 entwarf die 28-jährige Diane von Fürstenberg ein Kleid, das fließend war, fein und figurschmeichelnd. Mit dem die Trägerin angezogen, aber sexy war, stilvoll und dennoch lässig. Bei der darauffolgenden Herbst/Winter-Modeschau im New Yorker „The Pierre Hotel“ präsentierte es Model Jerry Hall der Welt: tief ausgeschnitten, knöchellang und – der wichtigste Aspekt – gewickelt.
Uniform der Stärke
Der Entwurf kam so gut an, dass Diane von Fürstenberg in den zwei darauffolgenden Jahren fünf Millionen dieser Wickelkleider verkaufte. „Wenn ich einen Häuserblock entlanggehe, sehe ich 20, 30 dieser Kleider. An allen möglichen Frauen. Es fühlt sich sehr gut an“, erzählte sie 1988 dem New York Magazine.
Es sei ein bodenständiges Kleid aus Baumwoll-Jersey – und darin liege in gewisser Weise sein Geheimnis. Designer Christian Lacroix habe einmal zu ihr gesagt: „Frauen machen Kleider, Männer machen Kostüme“, erzählte sie unlängst im Guardian. Männliche Designer würden Jersey nicht mögen, weil er nicht so schön aussehe. Erst wenn man ihn trägt, verstünde man den Wert.
Das Kleid ist damit Uniform der unabhängigen, selbstständigen Frau – das noch Jahrzehnte später berühmte Trägerinnen findet: Madonna besitzt eines, ebenso wie Prinzessin Kate oder Michelle Obama. Und es ist noch heute ein Bestseller.
Eine Frau mit Kontrolle
Als junges Mädchen, verrät Diane von Fürstenberg im Guardian noch, habe sie zwar nie gewusst, was sie werden wolle, aber immer wer: eine Frau mit Kontrolle und Verantwortung, a woman in charge. „Ich wusste nicht genau, was das bedeutete, aber ich kannte das Gefühl genau.“ Und dann wurde sie diese Frau – wegen ihres Kleides. „Ich habe es geschaffen, aber in Wirklichkeit schuf es mich.“ Es machte sie selbstbewusst, stark, unabhängig.
Dabei ist es eigentlich ein Wunder, dass es Diane von Fürstenberg gibt. Ihre Mutter, Liliane Halfin, wurde mit 21 Jahren in einem Viehwaggon nach Auschwitz gebracht und später nach Ravensbrück verlegt.
Bei der Befreiung 13 Monate später „war sie ein Sack voller Knochen in einem Aschefeld“, beschreibt es Diane im Guardian. Die Ärzte rechneten nicht damit, dass sie überleben würde, geschweige denn, dass sie Kinder bekommen könne. Doch als sie wieder mit ihrem Verlobten vereint war, heiratete sie und brachte innerhalb von 18 Monaten Diane zur Welt.
Inspiration und Ausdauer
Ein Kämpfergeist, der auch in Diane von Fürstenberg brennt. Sie war 21, als sie in Italien bei Angelo Ferretti, dem Besitzer einer Druckerei, arbeitete. Er hatte ihr das Praktikum angeboten, damit sie verschiedene Drucktechniken kennenlernen und die Hintergründe der Mode verstehen könnte. Ferretti besaß auch eine Strickerei und hatte zuvor einen modernen Jersey-Stoff erfunden.
Zu dieser Zeit schenkte die Mutter ihr ein Ticket nach New York, damit sie ihre Uni-Liebe Prinz Egon von Fürstenberg, besuchen konnte. Die beiden hatten einander bei einer Geburtstagsparty in Lausanne am Genfer See kennengelernt. Sie heirateten ein Jahr später, aber trennten sich in dem Jahr, in dem sie ihr Label gründete, bereits wieder.
Verliebt in Big Apple
Auf ihrer Reise in New York verliebte die Designerin sich neu: in diese fabelhaft aufregende Großstadt und ihre wilde, wunderbare Mode. Der Big Apple ließ sie nicht mehr los, auch nicht, als sie zurück in Italien war. Und so begann Diane, inspiriert von ihren Erlebnissen, in Ferrettis Werkstatt Jersey-Kleider zu entwerfen und diese nach Amerika zu verkaufen.
Es war, wie bei so vielen Durchbrüchen, eine Mischung aus Talent, Möglichkeit und viel, viel Ausdauer. Zunächst fertigte sie T-Shirts und Blusenkleider. Dann kam ihr die Idee eines Wickeloberteils mit dazu passendem Rock. Wiederum daraus entstand das legendäre Wickelkleid. Und der Rest – fasst sie zusammen – „ist Geschichte“.
Das Geheimins des Wickelkleids? Wir können hinausschlüpfen, ohne dass es ein Geräusch macht.
Von der Ikone zum Orakel
Mit 78 Jahren ist es Zeit, ihrer Geschichte eine neue Wende zu geben.
Bereits seit 14 Jahren hilft sie Frauen in Führungspositionen durch den mit 45.000 Euro dotierten DVF Award; vor vier Jahren rief sie den Podcast InChange (dt. „In Veränderung“) ins Leben, bei dem sie erfolgreiche Frauen interviewte.
„Ich scherze oft, indem ich sage: Früher war ich eine Ikone“, erzählt sie im Forbes Magazine. „Jetzt möchte ich Orakel sein ...“ Um dabei einer Modemacherin womöglich den Anstoß zu einem Modestück zu geben, das zum Kultobjekt avanciert.
Kommentare