So wichtig ist es, authentisch über Sex, Liebe und Gefühle zu sprechen

Sich „pudelnackert“ machen – damit meinen zwei Wienerinnen maximale Offenheit in Sachen Gefühle. Im Buch ermutigen sie zu möglichst ehrlicher und authentischer Kommunikation über Liebe, Sex und Dating.

"Geht schon“: Wie oft hörte ich diesen Satz von Freundinnen, die gerade zutiefst verletzt worden sind, wie oft habe ich diese Worte selbst ausgesprochen, obwohl ich am liebsten losgeheult hätte. „Zähne zusammen und durch“, lautet das Mantra jener, die sich verordnen, stets stark zu bleiben. Oder cool, das klingt noch geschmeidiger. Unlängst redete ich mit einer jungen Frau genau darüber, die ihre Gedanken so beendete: „Naja, Selbstmitleid ist auch nicht gerade sexy.“ Erstens: Sexy – für wen genau, bitte? Zweitens geht es ja gar nicht um Selbstmitleid, sondern vielmehr um Selbstwahrnehmung und einer damit verbundenen Haltung: Ich darf mit mir nachsichtig sein. Ich darf mich selbst hätscheln und halten. Wenn ich traurig bin, darf ich weinen. Wenn ich enttäuscht worden bin, darf ich wütend sein. Nur so kommen Gefühle ins Fließen – und nur so wird sich etwas verändern, bewegt sich was. Das gilt auch und speziell für alles, was wir „Beziehung“ nennen – vom flüchtigen Sex, über die Probezeit mit einem frischen Datingpartner oder aber das gefühlte Jahrhundert Ehe.

Wohl deshalb hat mich das neue Buch zum Podcast „Pudelnackert“ von und mit Lila Sauerschnig und Stefanie Scharaweger so angesprochen. Die beiden sind psychologische Beraterinnen und Freundinnen, sprechen und schreiben „Wienerisch“, sind vor allem aber schonungslos offen. Sie plaudern über Sex, Dating und Männer, als wären sie unter sich. Das Feine daran: Sie machen sich dabei „pudelnackert“ und wollen Menschen animieren, ebenfalls maximal offen zu sein: „Scheiß dir nix und mach dich mit uns gemeinsam pudelnackert.“ Es geht also darum, die eigene Befindlichkeit oder eigene Gefühlslagen nicht mit einem „Geht schon“ vom Tisch zu wischen, sondern in die eigene Seele zu blicken und zu dem, was gerade da ist, zu stehen. Weil nur diese Form von Ehrlichkeit und Verletzlichkeit echte Nähe ermöglicht. Was ich daran schätze: Die Abkehr vom Drama.

Es geht also darum, die eigene Befindlichkeit oder eigene Gefühlslagen nicht mit einem „Geht schon“ vom Tisch zu wischen, sondern in die eigene Seele zu blicken und zu dem, was gerade da ist, zu stehen.

"Bums-nicht-so-schnell"-Regel

Ohja: Dramaqueen konnte ich, kann jede (r) – Motto: Alle anderen sind bäh, und ich bin vor allem arm. Ein bisserl was davon steckt auch im Konzept „Geht schon“ – das heißt nix anderes als: Die Welt ist böse zu mir, aber ich Arme pack’ das schon. Brava! Eines Tages geht einem die Luft aus. Wer es jedoch schafft, zu seinen Gefühlen zu stehen, übernimmt Verantwortung für sich und sein Lebensglück, setzt Grenzen, sagt nein, hört auf die innere Stimme, tut, was guttut. Auch beim Sex. Man schlüpft dann nicht in die Rolle der Sex-Göttin, um allerlei Porno-Nummern mitzuturnen und „zu gefallen“, sondern sagt: Mag ich, mag ich nicht.

Ein Aspekt, den ich speziell rauszoomen möchte (aus Gründen), betrifft das Dating und heftige Erwartungshaltungen eine möglichst zügige Nummer betreffend. So viele Frauen erzählen mir, dass sie beim Konzept „Schneller Sex“ sicherheitshalber mitmachten – und dann? Nix. Weil der Herr schon wieder auf der Flucht ist. Statt nun in die Opferrolle zu schlüpfen, wäre es in Zukunft vielleicht besser, mit dem Vögeln zu warten, um den anderen langsam kennenzulernen. Die beiden Autorinnen nennen das „Bums-nicht-so-schnell-Regel“. Was das bedeutet, kann jeder selbst festlegen – Motto: Ich tu es erst, wenn ich mir sicher bin. Wenn mein Körper das möchte, Seele und Herz JA sagen. Ihre Empfehlung auf der Suche nach dem Richtigen lautet so: „Warte beim Kennenlernen zirka drei Monate mit dem ersten Sex, wenn du dir eine feste Liebesbeziehung wünschst.“ So wahr! Es kann ein Gamechanger sein, sich erst dann für Sex zu entscheiden, wenn es sich stimmig anfühlt. Runter vom Gas: Ein bisserl altmodisch, aber gut für die Seele.

Anschauen!

Ehrlich in Sachen Liebe und Beziehung ist auch das Kabarett-Duo „Weinzettl & Rudle“ im neuen Programm „5-Sterne-Beziehung ... und andere Märchen“. Da wird aufgeräumt: mit Märchenprinzessinnen,  Märchenprinzen oder der Mär vom perfekten Sex. Vor allem aber geht es darum, das Thema „Bewertungen“ kritisch zu beleuchten – weil Herzen und Likes niemanden glücklich machen. Alle Termine: weinzettl-rudle.at

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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