Guter Sex? Wir müssen endlich mehr reden!

Der Dialog über Sehnsüchte und Emotionen könnte viel Neues erschaffen. Über gute Kommunikation beim Sex.

Was Frauen wie Männer beim Sex beschäftigt: die Sorge um das Immergleiche. Mag sonst ja alles funktionieren: lachen, lieben und ein feines Miteinander, bei dem sich keiner lang beschwert, warum das Mistsackerl rausgetragen werden muss. Doch wenn’s ums Schnackseln geht, fehlt etwas. Das Überraschende, die lustvolle Abweichung – Spannung. Darüber zu reden, trauen sich leider nur wenige. Als würde der Satz „Lass uns etwas Neues probieren“ als Affront verstanden werden. Dabei ist er schlicht Ausdruck eines Bedürfnisses, nicht nur: auch eine Würdigung der Liebesbeziehung, die man gemeinsam mit dem Partner lebendiger gestalten möchte. Stattdessen das immer ähnliche Prozedere: Löffelchen am Sonntag mit Blick auf die Balkonblumen, samt Knödeln ihrer Brüste als Epizentrum seiner Libido, während sie ihm ans Gemächt greift, um dort in bewährter Weise das zu tun, was sie immer schon getan hat: raufrunterraufrunter. Eh lieb, aber einfallslos. Nach 15 Minuten gipfelt der Akt in einem gestöhnten „Ich komme!“, danach wird geduscht, sie macht Kaffee und Frühstück. Eines Tages ertappen sich beide bei dem Gedanken: „Das soll’s gewesen sein?“

Gute Frage – und auch eine der Selbstverantwortung. Die Lust an den jeweils anderen zu delegieren, wäre falsch. Als sexuelles Wesen ist es immer möglich, sich etwas zu wünschen und zu gestalten. Um etwas zu verändern und der Spirale der Fadesse zu entkommen, ist es wichtig, sich seiner Bedürfnisse gewahr zu werden. Und zwar ehrlich. Da ist Neugierde gefragt – nach sich selbst als sexuelles Wesen und nach dem, was an Fantasien da ist. Stellen Sie sich Fragen, finden Sie Antworten – und dann plaudern Sie wertschätzend mit der Partnerin oder dem Partner darüber. Da ist noch viel drin, das Potenzial für neue Erfahrungen ist niemals ausgeschöpft.

Stattdessen das immer ähnliche Prozedere: Löffelchen am Sonntag mit Blick auf die Balkonblumen, samt Knödeln ihrer Brüste als Epizentrum seiner Libido, während sie ihm ans Gemächt greift, um dort in bewährter Weise das zu tun, was sie immer schon getan hat: raufrunterraufrunter.

Blümchen-Sex, ade!

Und nein, das bedeutet nicht, dass Sie es ab sofort jeden Tag auf einem anderen Möbelstück in Küche, Bad oder Wohnzimmer treiben oder mit einem Brunftschrei vom Luster direkt in den Unterleib der Angebeteten springen müssen. Es geht nicht um Performance, im Sinne von Leistung. Sondern um das nuancierte Erschaffen eines Unterschieds. Das sind oft Kleinigkeiten und sie haben manchmal nichts mit Sex per se zu tun, sondern mit Atmosphäre. „Sexualität ist ein Tor zum Leben. Eine Möglichkeit, mich und meine Lebendigkeit zu erfahren, und mich als Person reicher zu machen“, sagte der Sexualtherapeut Ulrich Clement einmal in einem Interview mit der FAZ. Dialoge können da zum Beispiel eine intensive Erotik schaffen, egal, ob geschrieben oder gesprochen.

Eine neue Dimension, bei der es um echten Austausch geht, um sexuell wieder in eine spannende Beziehung zu treten.Was in der ersten Verliebtheit vollautomatisch funktioniert hat, verschwimmt mit der Zeit. Vieles wird selbstverständlich, das „Fremde“ entschwindet. Irgendwann ist der andere kein Neuland mehr, sondern so vertraut wie der Schrebergarten, in dem man jedes Wochenende verbringt. Und dennoch hat jeder seine verborgenen Seiten und dunklen Ecken. Das gilt es zu verändern – Blümchen-Sex ade! Clement sagte noch etwas Wichtiges: „Eine Sexualität, die nur positiv ist, bleibt flach. Es gibt ja diesen Standardsatz: Sex soll Spaß machen. Und Spaß ist tatsächlich ein wunderbarer Aspekt von Sexualität. Aber wenn Sex nur Spaß macht, bleibt es flach. Tiefe kriegt die Sexualität erst, wenn sie auch andere Gefühle kennt, Trauer, Einsamkeit, Verlust.“ All das will gesehen und belebt werden. Dann öffnet sich der Raum für neue und ungewöhnliche Erfahrungen.

 

Buchtipp

Die weibliche Klitoris ist ein unterschätztes Organ, deshalb hat die Kulturwissenschafterin und Geschlechterforscherin Louisa Lorenz nun im Buch „Clit“ (Heyne) darüber geschrieben. Darin verrät sie,  dass die Vorstellung vom vaginalen Orgasmus ein männlich geprägter Mythos ist, welche Bedeutung die Klitoris tatsächlich für den Orgasmus hat und klärt über weitere Missverständnisse  der Sexualität auf.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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