Trauer und Sex: Wie ist das mit dem Begehren nach dem Tod des Partners?
Viele Trauernde fragen sich, ob und wann es okay ist, nach dem Tod des Partners, sexuelles Begehren und Lust zu spüren. Pauschalrezept dafür gibt es keines. Jeder trauert anders – und alles ist gut.
Was bitte ist normal? Ein Gedanke, der im Kontext von Sexualität und Begehren immer wieder auftaucht – und entsprechend verunsichert. Speziell, wenn es um Grenzerfahrungen geht.
Wenn ein Partner oder ein anderer naher Mensch stirbt, geraten wir an Grenzen. Die Welt ist von einem Tag auf den anderen nicht mehr das, was sie war. Etwas fehlt. Die Person, die Verbindung, die wir zu ihr hatten, ihre Worte, ihre Gesten, ihr Geruch. Und – so es sich um die Partnerin oder den Partner handelt – ihre Berührungen, egal, welcher Art. Trauer und Sex, das scheint auf den ersten Blick so gar nicht zusammenzupassen. Ein seltsames Paar, schief beäugelt. Da bleibt wenig Spielraum für ein Pouvoir (von außen, aber auch von sich selbst). Sogar die Vorstellung, dass sich jemand in so einer Phase auf einmal wieder liebevoll und zärtlich selbst berührt, scheint seltsam.
Und dennoch muss das nicht heißen, dass Begehren, Gedanken an Sexualität und Intimität keinen Platz mehr haben dürfen. Schließlich handelt es sich nicht um einen pathologischen Zustand, sondern um einen gesunden Prozess, der viele Facetten birgt. Trauerarbeit ist kein linearer Vorgang, sondern ein Hin- und Her, ein Auf- und Ab, oft spiralenförmig.
Das leere Bett
Und dennoch gilt: Jeder Mensch trauert auf seine Art, es existiert kein allgemein gültiger Leid-Faden zur Trauerbewältigung, in dem unter dem Kapitel B wie Begehren, S wie Sehnsucht oder S wie Sex auf den Seiten soundso steht, wie es sich "richtig" zu verhalten gilt. Schwarz tragen, sich von der Welt abschotten, in Erinnerungen schwelgen, solo bleiben – so wird das meist verordnet. Wer anders tut oder lebendig gegen den Tod aufbegehrt, ist rasch verurteilt. "Und dann das leere Bett neben mir. Diese schreiende Stille, nachts, wenn alle schlafen", zitiert Autor Traugott Roser in seinem Buch "Sexualität in Zeiten der Trauer. Wenn die Sehnsucht bleibt" – aus dem Tagebuch eines Trauernden, das er nach dem Tod seiner Frau nach 17 gemeinsamen Jahren veröffentlicht hat.
. Roser schreibt zu Recht: "Sie drücken das aus, was vielfach Menschen empfinden, die um ihren Partner trauern. Meist bleiben diese Empfindungen in den geschützten Wänden des Schlafzimmers und werden selbst vor den nächsten Angehörigen verborgen. Denn das leere Bett ist ja nicht nur der verwaiste Ort, an dem der oder die andere schlief, sondern es ist der Ort, zu dem sich die Hände hinübertasten konnten, der dem Liebesspiel eine Bühne war, zärtlichen und leidenschaftlichen Umarmungen Platz bot …" Das leere Bett stünde für radikale Veränderungen – die Trauer um den Partner für die Sexualität mit sich bringt. Gesprochen wird darüber meist nicht.
Und dennoch muss das nicht heißen, dass Begehren, Gedanken an Sexualität und Intimität keinen Platz mehr haben dürfen. Schließlich handelt es sich nicht um einen pathologischen Zustand, sondern um einen gesunden Prozess, der viele Facetten birgt. Trauerarbeit ist kein linearer Vorgang, sondern ein Hin- und Her, ein Auf- und Ab, oft spiralenförmig. Je nach Bindungsstil haben manche Menschen dann Phasen, in denen sie Nähe umso intensiver ausleben wollen, um jene Ablösung zu ermöglichen, die für den Trauerprozess wesentlich ist, so Roser.
Umso wichtiger wäre es, im Umgang mit Trauernden sensibel und bereit für solche Gedanken zu sein. Zumal mit Sexualität eine breite Palette gemeint sein kann, die sich keineswegs auf den klassischen Geschlechtsverkehr beschränkt. Da kann es um körperliche Nähe gehen, um Küsse, um Zärtlichkeit und Berührungen. Das alles, im Laufe der Zeit (und jeder darf dafür ganz allein den richtigen Augenblick spüren und entdecken), wieder neu fühlen und entdecken zu lernen, kann ein erster Schritt zurück ins Leben sein. Im Sinne von sexueller Gesundheit, die ein Leben lang wichtig bleibt und auf die auch Trauernde ein Recht haben. Auf ihre Art – und ihnen „gemäß“, wie Roser sehr schön schreibt.
Trost
Aus Deutschland kommt die Idee, Trauernde über eine „Kennenlern“-Plattform zusammenzuführen, sodass sie sich austauschen können. „Trosthelden“ sei kein Tinder für Menschen, die einen Verlust erlitten haben, so Gründer Hendrik Lind, sondern hier würden sich Personen treffen, denen das Gleiche passiert ist oder gerade passiert, sodass sie sich gegenseitig helfen können. Info: trosthelden.de
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