Sex im Herbst: Probier's mal mit Gemütlichkeit - oder doch nicht?
Der Herbst ist da – und schon kursiert die Idee, der Mensch bräuchte anderen Sex: gemütlicher, weniger, zärtlicher. Doch wie sehr beeinflussen die vier Jahreszeiten das Begehren?
Unlängst landete eine PR-Aussendung eines bekannten Online-Sexshops in meinem Mailpostfach – mit folgendem Titel: "Heiße Sexstellungen für die kalte Jahreszeit." Empfohlen wurde darin etwa die Position "Die Waffenruhe".
Diese sei ideal für Morgensex, äußerst bequem und auch für "zwei Menschen mit Penis" geeignet. Na bitte. Eine liegende Position, die für entspannte Atmosphäre sorgt und gut für Menschen ist, die gerade wenig Lust auf exzessive Herumturnerei und verschwitztes Herumhecheln haben.
Und so geht das: Die aktive Person liegt seitlich (und darf sich auch lässig abstützen dabei), während die passive Person auf dem Rücken liegt und sich im rechten Winkel (ungefähr, man braucht kein Geodreieck zum Abmessen) zum aktiven Part positioniert, dass ihr Po auf deren Hüfthöhe ist. Die Beine des passiven Parts werden angehoben und ruhen auf der Hüfte der aktiven Person. Los geht’s, anschließend eine Tasse heißer Ingwertee, Kaminfeuer und die Friedenspfeife.
So, als würden sämtliche sexuell aktive Menschen beispielsweise pünktlich am 22. September um 14.43 Uhr (das war der exakte Start des diesjährigen Herbstes) auf ihren Wecker schauen und rufen: „Jetzt aber piano, Baby. Herbst ist’s, ab nun wird gemächlicher gevögelt und danach Lebkuchen genascht.“
Was Cuffing-Season bedeutet
Es ist immer wieder spannend, dass der Wechsel der Jahreszeiten animiert, über den Wechsel der sexuellen Gewohnheiten nachzudenken. So, als würden sämtliche sexuell aktive Menschen beispielsweise pünktlich am 22. September um 14.43 Uhr (das war der exakte Start des diesjährigen Herbstes) auf ihren Wecker schauen und rufen: "Jetzt aber piano, Baby. Herbst ist’s, ab nun wird gemächlicher gevögelt und danach Lebkuchen genascht."
Aber ja, auch davon las man zuletzt öfter: Je früher finster, desto mehr Cuffing-Season – so heißt das nämlich jetzt. Genau übersetzt bedeutet es "Handschellen-Jahreszeit" – und nein, damit ist jetzt keine Fifty-Shades-of-Grey-Phase gemeint, in der lustig gefesselt und mit Strenge erzogen wird. Da geht es eher darum, jemanden zum Kuscheln und zum Knuddeln zu haben – bei Kerzenlicht, warmen Getränken oder funkelndem Rotwein. One Night Stands und exzessives Dating sind weniger angesagt, stattdessen ist da die Vision von einer/einem, an dem man sich länger bindet, also "fesselt". Eine verlässliche Liebesangelegenheit, die auch verlässliche erotische Nähe bedeuten sollte. Und vielleicht ein Beziehungs-Aus im Mai.
Was, so finde ich, keinesfalls weniger oder gar ruhigeren Sex mit sich bringen muss, im Gegenteil. Ich bin so oder so überzeugt, dass jeder zu jeder Jahreszeit jenen Sex haben sollte, der gerade zu ihm passt – und aus. Mehr ist es nicht. Die Wissenschaft weiß dazu auch nichts Genaues: Mal heißt es, der Mensch sei im Herbst sexuell aktiver, dann liest man dasselbe über das Frühjahr oder den Sommer.
Zweifellos mögen die Lebensumstände einen gewissen Einfluss auf das sexuelle Verhalten haben, wie Temperatur, Tageslänge, das Fernsehprogramm oder das Wetter. Jeder ist dann mal mehr oder weniger "in Stimmung". Doch rein chronobiologisch ist da wenig, wie etwa eine türkische Studie aus dem Jahr 2021 zeigte. Sie beschäftigte sich mit der so genannten "Erektilitätsfunktion" menschlicher, männlicher Säugetiere. Es ging um die Frage, ob die männliche Standfestigkeit und Libido saisonalen Schwankungen unterliegen.
Nix da: Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass keine Periodizität in den menschlichen sexuellen Funktionen in Bezug auf das Tageslicht oder die vier Jahreszeiten existiert. Und das, obwohl sich der Hormonspiegel, etwa beim Testosteron, in der dunklen Jahreszeit verändert. Fix ist jedenfalls, dass im Herbst und im Winter mehr Kinder gezeugt werden. Ein bisserl was wird schon dran sein, am Prinzip "Probier’s mal mit Gemütlichkeit". Sonst gilt, frei nach Mae West: "Zu viel des Guten kann wundervoll sein." Und das gilt fürs ganze Jahr.
Fantasievoll
Vor eineinhalb Jahren rief Schauspielerin Gillian Anderson Frauen dazu auf, anonym ihre erotischen Vorstellungen einzureichen – nun erscheint eine Auswahl der Zuschriften im Buch „Want“ (dtv, 25 €). Insgesamt habe sie Briefe im Umfang von knapp 1.000 Seiten erhalten, schreibt Anderson im Vorwort. Überraschend sei auch gewesen, dass viele ihre Fantasien für sich behalten und sich manche dafür schämen.
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