Mache alles: Warum People pleasing beim Sex so heikel ist

Alles tun, um anderen zu gefallen und zu entsprechen – diese Menschen werden heute "People Pleaser" genannt.

Ein neuer Begriff hat die Psychoszene und die sozialen Medien erobert: "People Pleaser". Menschen, die alles tun, um anderen zu gefallen und es ihnen recht zu machen. Sie agieren überangepasst, stellen ihre Bedürfnisse in den Schatten und zeigen sich grenzenlos belastbar. Dazu: Keep smiling. Dass es damit kaum möglich ist, ein authentisches Leben zu führen, muss nicht vertiefend ausgeführt werden. 

Gleichzeitig ist es wichtig zu betonen, dass es sich bei diesem Verhaltensmuster um eine komplexe Dynamik handelt, die niemand wegschnipsen kann. Weil es einst, in Kindertagen, dem Überleben diente.

Man passte sich den Umständen an, versuchte sich durch ein Lächeln, durch Bravsein, durch Unterordnung einem Tadel oder einem Schmerz zu entziehen und dem zu entsprechen, was Erwachsene als opportun definierten.

Man passte sich den Umständen an, versuchte sich durch ein Lächeln, durch Bravsein, durch Unterordnung einem Tadel oder einem Schmerz zu entziehen und dem zu entsprechen, was Erwachsene als opportun definierten.

"People Pleaser" gibt es auch in der Sexualität. Da wird exzessiv gestöhnt, geschrien, von einer Stellung zur anderen gehechelt und so getan, als ob all das, was da gerade im Bett passiert, die absolute Weltsensation wäre. In Wirklichkeit wäre man vielleicht lieber still da gelegen, um atmend zu genießen – ohne das Ziel, auf dem obersten Siegesstockerl der Geilheitsolympiade zu landen. Oder überhaupt ganz was anderes – zum Beispiel gar keinen Sex, in diesem Moment, sondern einfach nur ein paar innige Umarmungen. Vor allem Frauen neigen zur Performance. 

Ja, im wahrsten Sinne wird performt, aber nicht, um im konsensuell-positiven Experimentiersinn zu spielen, sondern ausschließlich, um zu gefallen. Orgasmen werden vorgetäuscht, womöglich noch multipel, zu jeder Spielart gibt es ein "Ja, mach, ja, ich will!", im Sinne des "braven Mädchens". Man funktioniert, statt zu fühlen und weiß am Ende gar nicht mehr, wer da tut: Man selbst oder eine Marionette, erdacht, um zu gefallen. 

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Auch Männer sind "People Pleaser", geben den Helden – den, der immer kann, immer kommt und sich immer wieder neue Dinge einfallen lässt. Meist verbunden mit dem Wunsch, die Partnerin für sich zu gewinnen oder einem starren Bild von Männlichkeit zu entsprechen.

So gut sein wie die anderen

Vor einiger Zeit schrieb mir eine Leserin, dass es ihr jahrzehntelang nicht gelungen wäre, die Erfahrung ihrer ersten sexuellen Begegnung abzulegen – und zu durchschauen. Mit 17 lernte sie einen Typen kennen, sie Jungfrau, er sieben Jahre älter und erfahren. Vor dem ersten Sex schwärmte er ihr facettenreich vor, was ihre Vorgängerinnen alles lieferten. Die dauergeile Uschi mit den starken Oberschenkeln, die ihn stundenlang ritt. Die Gitti, die wie ein Weltstar blies. Die Inge, die alles mit sich machen ließ. "Ich dachte mir damals, so müsse ich auch sein, vielleicht sogar noch besser. Und ich war besser."

Ein Muster, das sich durch all ihre Beziehungen zog, in eine Ehe hinein, jeder ihrer Partner gefesselt von einer sexuellen Magie, die nur eines war: oscarreif. Gefangen in diesem Reiz-Reaktions-Zyklus, blieb sie selbst unbefriedigt, während sie automatisch ein inneres Programm abspulte. Irgendwann: Müdigkeit, Lustlosigkeit, das Gefühl, sich selbst fremd zu sein, eigener Bedürfnisse nicht bewusst. Wie traurig.

Die Befreiung aus diesem (meist unbewussten) Teufelskreis ist schwierig, aber möglich. Sie beginnt mit einer Bewusstwerdung – was da abgeht, was man da tut und mit sich anstellt. Ein erster schmerzhafter Schritt, aber unendlich wichtig. Diese Weg-Entwicklung geht nur in langsamen, behutsamen Schritten. So, als gelte es, sich heranzutasten – in ein "Nein", an Grenzen, in das Beschnuppern eigener sexueller Sehnsüchte, in das Formulieren dieser. Und in die Frage: Wer bin ich und was will ich wirklich?

Begehrens-Werte

Warum finden manche leichter Partner als andere? Dieser Frage ging eine Studie an 4.616 Menschen aus 14 Ländern nach (veröffentlicht in „Evolutionary Psychology“) – u. a. auch Österreich.  Das Ergebnis:  eine Liste von Eigenschaften, die begehrenswert machen: Ähnlichkeit mit dem Gegenüber   zeigen, hoher sozialer Status, Fähigkeiten und Talente zur Schau stellen und – unerwünschte Dinge verbergen.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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