Lust und Lügen: Warum Menschen beim Sex schwindeln

Vorgetäuschte Ekstase, gefakte Orgasmen und Lob für den Partner: Eine neue Studie zeigt, wie sehr beim Sex gelogen wird.

"Der Beste muss mitunter lügen, zuweilen tut er’s mit Vergnügen“ (Wilhelm Busch): Wahre Worte. Menschen lügen, das ist bekann -  so weit, so gut. Mitunter machen sie das, um sich selbst Gutes zu tun: Zum Beispiel, um einen Konflikt zu vermeiden und einfach nur, weil es bequemer ist und sie sich problemlos in ihrer Komfortzone rekeln können. Oder weil sie nur mit Hilfe des Vehikels „Lüge“ erreichen, was sie wollen. Schwindeln als Mittel zum Zweck, alte Geschichte. Manche lügen, um andere zu schonen – was nur auf den ersten Blick gut klingt. Am Ende dreht sich’s erst nur wieder darum, sich einer heiklen Geschichte zu entziehen.

All diese Gründe führen dazu, dass auch in Sachen Sex verdammt viel geflunkert wird. Das hat mehrere Gründe: Sprechen wir nämlich offen und ehrlich über Sex, machen wir uns auf gewisse Weise nackt, ziehen uns aus, bis auf das letzte Hemd der eigenen Seele. Wer über Sex redet, öffnet die Tür zu seinem Innersten, Intimsten und lässt tief blicken. Das können und wollen viele Menschen nicht – daher lügen sie, bis sich die Betten biegen. Eine Art Schutzmechanismus – und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch in Bezug auf den Partner, um mögliche Verletzungen zu vermeiden. Das zeigt eine Studie zum Thema „Sex und Lügen“, die im Herbst 2022 veröffentlicht wurde. Ursachen, Motive, Art und Weise der Mogeleien wurden hinterfragt. „Die meisten typischen Lügen dienen nicht nur den Lügnern selbst“, sagte dazu der Studienautor Christian L. Hart von der Texas Womans University. Und: So gut wie alle Menschen lügen, wenn es um Sex geht – mehr oder weniger. Dazu gehört naturgemäß das Vortäuschen eines Höhepunkts oder übertriebene Show-Effekte beim Sex, um zu demonstrieren, wie mega und ultimativ das Erlebte gerade ist.

Lügen als Teufelskreis

Das ist übrigens etwas, das vor allem Frauen gerne tun, um Männern zu imponieren oder aber um Erwartungen zu erfüllen. Und ja, logisch, für einen Mann ist es außerdem schwieriger, eine Ejakulation vorzutäuschen. Denn was antwortet einer auf die Frage: „War’s das jetzt, da ist nämlich nix …“? Mit der ersten Lüge beginnt mitunter ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Wenn nämlich die Nummer „Ich komme schnell, intensiv und laut“ für große Begeisterung sorgt, dann wird sie gerne wiederholt und zum „State of the Art“. Irgendwann glaubt man sich dann selbst die geile Geschichte von der Sexbombe, die selbst in stressigsten Zeiten abgeht wie ein schnurrender Sportwagen. Ziemlich viel gelogen wird auch in Bezug auf die Zahl der Sexualpartner, die jemand im Laufe seines Lebens hatte. Dabei spielen Geschlechterrollen eine große Bedeutung: Weil umtriebige Männer als coole Johnnys gelten, geben sie Zahlen an, die einfach nicht stimmen. Motto: Je mehr, desto lässiger. Bei Frauen ist es umgekehrt, sie neigen eher zur Untertreibung. Und trotzdem scheint es très chic, mit Sex anzugeben – in einer sexualisierten Welt, in der sich der Wert von Menschen auch durch Begehrens-Werte definieren.

Und was wird sonst so geschwindelt? Ein paar typische Lügen und Ausreden: Zu sagen „Sorry, ich bin heute zu müde für Sex“, statt „Ich habe keine Lust“. Ja zu einer sexuellen Praktik zu sagen, obwohl man’s nicht mag (und dann noch so tun, als wär’s supertoll gewesen). Zu leugnen, dass man immer wieder mal lustvoll Pornos schaut. Und – häufig – großes Lob, obwohl es nix zu loben gibt: „Super war der Sex mit dir.“ Die noch heftigere Steilvorlage: „Das war der beste Sex meines Lebens.“ Nur so: Das kann auf Dauer ziemlich schiefgehen.

Raffinierte Taktik

Manchmal hilft es ja, sich selbst anzuflunkern. Laut der Studie eines Sextoy-Herstellers für Männer sollten Herren beim Masturbieren mehr stöhnen. Laut Analyse sind sie eher schweigsam, nur  zwei von fünf Männern tun es während der Selbstbefriedigung. Frauen sind da beherzter.  Angeblich  kann lautes Stöhnen nicht nur beim Selfservice, sondern  auch beim Sex die Lust steigern und intensivieren.

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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