Vea Kaisers Kolumne - Eine fabelhafte Welt: Mutter sein
Du sollst nicht über andere Mütter richten.
Du sollst nicht über andere Mütter richten!, lautet eines der zehn Gebote für die moderne Mutter. Im Freibad verstieß ich unlängst dagegen. Eine Mami filmte stundenlang die Pritschelei ihres Kindes. „Die Smartphone-Zombie-isierung hat das Babybecken erreicht“, höhnte ich zu meiner Begleitung.
Und dann feierte gestern mein Baby seinen ersten Geburtstag, besser gesagt: mein Kleinkind. Hilfe, ich habe geblinzelt! Während ich die Lider schloss, wurde aus diesem Binkerl, das ich gefühlt vorgestern zur Welt brachte, ein Bub. Sein Bruder wird Ende des Sommers drei und wechselt von der Zwergerlgruppe in die Bärengruppe. Damit hat er die erste Etappe seiner Bildungslaufbahn erledigt.
Noch ein Mal blinzeln, dann heißt’s, „Darf ich beim Matteo schlafen?“ Zwei Mal blinzeln: „Lass mich an der Ecke aussteigen, du bist peinlich“. Drei Mal blinzeln, dann werden die Mädis, die mir am Spielplatz Sandkuchen anbieten, frühmorgens im Obergeschoss stehen. Statt „Hab ich für dich gebacken“, werde ich hören: „Net stressen Frau K., chillen S’ Ihre Basis.“ Vier Mal blinzeln, dann tragen wir Umzugskisten statt diesen kleinen Glückskeksen, die ihre Gesichter an unsere Schultern drücken, um zu entspannen. Und wenn sie dann ausgezogen sind, werden wir jedem Batzen Rotz nachweinen, den wir nun auf dem Gewand verfluchen. Als ich (Ex-)Babys ersten Geburtstagskuchen buk, musste ich an jene Smombie-Mutter aus dem Freibad denken. Ich schämte mich, sie verurteilt zu haben. Sie versuchte ja auch nur, diesen besonderen Moment des Wasserspaßes festzuhalten.
Die Strategie mag patschert gewesen sein, wann soll man sich so lange Bade-Videos je anschauen. Aber ich empfand Verständnis für diesen hilflosen Versuch, die an einem vorbeirasende Zeit kurz anzuhalten und etwas Bleibendes einzufangen.
Einmal blinzeln und schon ist wieder alles anders.
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