Die armen armen Butzis
Warum liebevoll umsorgte Kinder die allerärmsten sind, solange sie von ihren Müttern umsorgt werden
Seine ersten Lebenswochen verbrachte unser Kind unter einem Dach mit Mama, Papa, Oma, Opa, Uroma und Hund in Niederösterreich. Der italienische Teil der Familie sowie Freunde, Verwandte und Nachbarn reisten an, um dem Bauxi die Aufwartung zu machen.
In der Schwangerschaft hatte ich mich gefragt, ob es die frischgebackene Mama Maria anstrengte, dass sie kurz nach der Geburt von drei fremden Königen und Co. belagert wurde. Mittlerweile weiß ich, dass es davon abhing, ob Papa Josef den nach langer Reise durstigen Gästen Erfrischungen servierte. Bewunderung des Neugeborenen ist jeder Wöchnerin höchst willkommen – solange die Gäste nicht von ihr bewirtet werden müssen.Wie das im Stall von Bethlehem war, verschweigt die Bibel leider. Ebenfalls nicht überliefert ist, ob Ochs und Esel direkt an das Kind adressierte und indirekt die Mutter kritisierende Sorgen äußerten. Wie: „Du armes Butzi, du hast ja ganz kalte Füße“ oder „Du armes Schatzi, kriegst nicht genug zu trinken?“ Oder: „Du armes Hasi, wie sollst du dich je entwickeln, wenn dich die Mama so eng im Tragetuch hat?“ Neu in der „Gewichtsklasse Mama“ überraschte mich, wie die Verehrung eines Neugeborenen und das auf einer Blickdiagnose beruhende Inzweifelziehen der Kompetenz seiner Mutter zusammengehören.
Als ich wieder genug Kraft hatte, um den besorgten Ratschlagenden Paroli zu bieten, hielt mich mein Mann zurück: „Lass sie doch!“ Also ließ ich sie. Wortwörtlich. Wer fortan meinte, dass das „arme Kind“ an die frische Luft müsse, durfte alsgleich das Wagerl nach draußen schieben. Wer das „arme Kind“ anders gehalten sehen wollte, bekam es in die Hände. Das verschaffte mir fünf bis fünfzehn Minuten Pause. Spätestens dann wurde das Butzi verlässlich retourniert: „Du armes Kind, geh wieder zur Mama, die weiß am besten, was du brauchst.“
Kommentare