Guido Tartarotti

Überleben: Das ist der Sommer, wie ich ihn mag

Bald wird es Sommer sein. Und dann fühle ich mich wirklich wohl.

Der Baum vor meinem Fenster ist über Nacht grün geworden. Es ist Frühling. Der Frühling ist meine zweitliebste Jahreszeit. Bald wird es Sommer sein. Und dann fühle ich mich wirklich wohl. Ich mag es, wenn es heiß ist. Ich geh dann ins Bad. Ich lege mich in die Sonne und brate. Ich kaufe mir ein Bier. Ich liebe die Welt und das Leben.

Im Bad ist es heiß. Ich erinnere mich, wie ich hier meine damalige Freundin kennenlernte. Ich war Single und zufrieden, da piepste plötzlich mein Handy. Und auf einmal begann ein neues Leben. Der Sommer ist die ideale Zeit, um alleine zu sein. Denke ich mir und lerne plötzlich eine großartige Frau kennen. Sie meldet sich auf meinem Handy und ist klug, witzig und wild. Ich kann gar nicht anders, als mich in sie zu verlieben. Dann will sie plötzlich keinen Kontakt mehr. Das Leben ist interessant.

Am nächsten Tag bin ich wieder im Bad. Ich liege in der Sonne und genieße das Dasein. Auf einmal läutet mein Handy: Die aufregende Frau ist dran und so aufregend, wie ich sie mir vorgestellt habe. Was will sie von mir? Sie tut so, als wolle sie nur reden. Aber sie redet so, als wolle sie mit mir schlafen. Das Gespräch ist aufregend, und die Frau gefällt mir, ohne dass ich sie gesehen hätte. Ich hoffe, dass wir einander demnächst treffen werden.

Das ist der Sommer, wie ich ihn mag. Niemand weiß ganz genau, wie er ablaufen wird. Wie wird er ablaufen? Wird die Vergangenheit ihre Kraft zeigen? Oder wird die Zukunft auf einmal zeigen, welche Kraft sie hat? Werden wir im Bad liegen und einander lieben? 

Der Baum vor meinem Fenster ist über Nacht grün geworden. Es ist Frühling. Und es ist die interessanteste Zeit, um das Leben zu genießen.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

Kommentare