Polly Adlers Kolumne: Und dann kam Herkules!

Die Melancholie der Dreißigjährigen

Zendaya segelt in die Melancholie der Vergänglichkeit. Jetzt ist sie schon 27 und die Zahl 30 nähere sich wie eine unausweichliche Naturkatastrophe. Furchterregend nahezu! So paradox es klingen mag, aber ich hülle mich in Mitgefühl. Kalte Schauer der Erinnerung, wenn ich an meinen 30. Geburtstag denke. 

Selten hatte ich mich so jämmerlich gefühlt. Essen in einem kleinen Wirtshaus in der Vorstadt, Stimmung im Gefrierbereich. Ich war gerade von meinem langjährigen Freund gegen ein Versandhaus-Model eingetauscht worden. Bei dem Kündigungsgespräch hatte er mir ständig versichert, dass sie aussehe wie Linda Evangelista und überdies eine Granate im Bett sei. Meine damals beste Freundin legte mir quasi zum Trost einen Vibrator mit drei Geschwindigkeiten und austauschbaren Noppenaufsätzen namens Herkules auf den Gabentisch, den ich bereits auf dem Nachhauseweg unter Tränenströmen in einen Mülleimer stopfte. Um ihn wenig später wieder raus zu fischen. 

Es dauerte nur ein Jahr, bis mein Leben wieder entsprechend Fahrt aufnahm: Ich bekam ein Kind von dem von Linda inzwischen wieder in die Wüste geschickten Ex, den ich wenig später mit Genuß verließ, einen Job, von dem ich immer geträumt habe, und hatte einen Liebhaber, der Herkules arbeitslos machte. Jetzt bin ich nicht älter, auch nicht mehr ganz jung, sondern echt alt. Tatsächlich dachte ich in meinen Vierzigern, dass ich in dieser Phase meines Lebens nur mehr zu Weinverkostungen, Blutdruckmessungen und geführten Gruppenreisen aufbrechen werde, aber nein, es macht richtig Spaß neuerdings, das depperte Leben. 

Mit Staunen betrachtet man die Spießigkeit vieler um Dekaden jüngerer Menschen. Besonders wenn sie Kinder kriegen. Null Nonchalance in der Brutpflege. Stress? Ja klar, jede Menge. Das Hirn ist wie ein Muskel, es gehört trainiert. Außerdem, um die wunderbare Elke Heidenreich zu bemühen: „Ich bin arbeitswütig und liebe den Stress. In der Bademodenabteilung eines Münchener Kaufhauses bin ich kürzlich  zusammengebrochen, weil es dort so ruhig war.“ - 

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

Kommentare