Ok, Hipster?!

Das neue Schimpfwort heißt Boomer. Ich bin einer von denen.

"Voll die Boomer-Probleme", erklärte mir ein Mittvierziger mit affigem Dutt in einem Kaschmir-Hoodie (die lächerlichste Textil-Kombi aus Elite und bemühter Anarchie) süffisant, als ich wieder einmal an Widrigkeiten in Digitalien verzweifelte. Ja, du analoger Teilalphabet, dachte ich mir, ich bin ein Babyboomer. Und gerne auch noch. Ich könnte dich mit Veteranen-Schnurren über Festnetz-Vierteltelefonanschlüsse, Farbbandwechsel-„Meltdowns“ (um in deiner Sprache zu verharren) bei Schreibmaschinen und mit Münzen beschwerte Plattennadeln, wenn die „Talking Heads“-Scheibe zu sehr hüpfte, erheitern.

Ich rede gerne voll „old school“ mit Menschen am Telefon, bevor ich ihnen 17 verstümmelte Botschaften ASAP auf 47 unterschiedlichen Kanälen schicke. Ich finde IRL-Konversationen („in real life“) besonders dann vergnüglich, wenn mein Gegenüber nicht im Minutentakt nervös auf sein Display starrt, um zu checken, wie viel Views die Insta-Story über dessen neue Birkenstocks abgekriegt hat oder sonst was Republikerschütterndes wie das Angebot einer Penisverlängerung aus China eintrudelt. Ich will aber auch nicht so eine Früher-war-alles-besser-Heultrixi sein, weil mich interessiert, was im Leben der Zwanzig-und-irgendwas-Generation abgeht.

Ich finde es toll, wie sie zornig auf die Straße gehen und uns aus dem Klima-Dornröschenschlaf rütteln. Ich werfe jetzt mein Auto weg, mutierte zur Recycle-Queen von Kleidern, gehe in kleine, überteuerte Brotboutiquen, wo mir junge Menschen in gestreiften Schürzen Semmeln mit französischen Vornamen verkaufen und will überhaupt ein Mensch werden, für den sich meine Tochter nicht genieren muss. OK, Hipster?! Ageism außerdem voll unwoke. Lass dir das von einer Friedhofs-Deserteurin gesagt sein. Und übrigens: Du warst auch schon einmal jünger. Abgesehen davon, dass Alter oder auch Jugend (egal in welcher Phase) keine Leistung ist, sondern allerhöchstens, das was man daraus macht. Deal, Hipster?

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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