Polly Adler: Komm, süßes Nichts!

Terminfreiheit, um zu überleben.

Bitte mehr Tage, „wo nix is‘”, also wirklich gar nichts. Nicht einmal eine Gehen-wir-einmal-auf-einen-Kaffee-Verabredung  (die man ohnehin schon zwei Mal verschoben hat). In Job-Angelegenheiten ist so eine Kaffee-Geherei die beste Möglichkeit um effizient, aber doch mit mehr Nähetemperatur als bei einem Zoomie, Anstehendes  zu bemurmeln. Nur: Wenn mich ein Mensch jenseits  von beruflichem Zeugs zu einem Kaffee-Date zwecks Kontaktpflege bittet, heißt das im Klartext:  „An dich möchte ich keinen Abend verschwenden, also stopfe ich dich in ein überschaubares Zeitloch von 1,5 Stunden, alles andere käme einer Attacke auf meine Lebenszeit gleich.” 

In der Hitparade der halbherzigen Begegnungsversuche reiht sich „Was ist mit einem Lunch?” gleich dahinter. Menschen, die einem nach jedem Telefonat den Satz „Jetzt müssen wir uns wieder einmal sehen, ich meld‘ mich nächste Woche” zuschubsen, am besten gleich fallen lassen: Solche melden sich nie, aber wirklich nie. Ich möchte meine Zeit nur noch mit jenen verbringen, die mich genau so gern sehen wie ich sie. 

Möglicherweise wird da die Schnittmenge irgendwann sehr dürftig und ich ende in einem Diogenes-Fass, aber besser so, als sich in der Konversationssteinwüste des Smalltalks mit „Randoms”  ( Millenialish für beliebige Typen) austauschen zu müssen. Die eingangs erwähnten Nix-Tage müssen gänzlich unbefleckt, also terminfrei bleiben. Sie sind nämlich Sauerstoff für die Psyche, der beste mentale Vernichtungsspray von Stress.

Oberstes Gebot: Man macht ausschließlich, worauf man Lust hat. Und detoxt dabei radikal digital. Zum Beispiel bei „Dolce Pensiero” sizilianische Kalorienbömbchen einkaufen, dann sich in einer Nachmittagsvorstellnung den Lassnig-Film anschauen (das Beste, was ich seit langem gesehen habe, Minichmayr gottvoll) und danach in die noch eiskalte Alte Donau springen. Unerreichbar für alle Mitmenschen. Das ist eigentlich der Bonustrack der Nix-Tage. Kostenloser Luxus eben. 

„Knietief im Glamour”: am 26. Mai im Rabenhof um 11 Uhr.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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