Mein Schutzengel hat ein Burnout

Warum mir Amazonien die Psychoanalyse ersetzt.

Ich brauche kein Lastenfahrrad in eine Psychoanalyse zu buttern, um mich auf den steinigen Pfad zur Frage „Wer bin ich? Und warum hat mein Schutzengel ein Burnout?“ zu begeben, denn ich habe Amazonien. Ja, ich weiß, ist total „Geht’s noch?“ vom woken Standpunkt in Jeff Bezoshausen zu ordern, aber manchmal brauche ich „fix“ ein bombastisches Shoppingerlebnis mit „Rita, der Fliesenfugenbürste“ oder einer goldenen Schlaghose, für die unschuldige Polyester ihr Leben lassen mussten. Oder eben eine Buchladung auf meinen eBook-Reader für Themen, an denen ich gerade ackere.

Dann erscheint eine Zierleiste mit der Verheißung „Bücher, die Ihnen gefallen könnten“. Und man möchte sofort die Scheidung von sich selbst einreichen, weil man sich dermaßen bloßgestellt sieht: „Smart women – foolish choices“ (für Frauen, die ihr Beziehungs-Drehbuch nicht im Griff haben), „Posttraumatische Verbitterungsstörung – Mein Weg raus aus der Verbitterung“, „Frustrationstoleranz lernen“, einen Schundschinken mit dem Titel „Irrwege des Glücks – das heimliche Baby des Prinzen“ und ein Anti-Fettleber-Kochbuch, die ergänzend angebotene Weltliteratur in Form von „Anna Karenina“ und „Madame Bovary“ sind jetzt auch nicht gerade erhebende Laune-Aphrodisiaka, sondern triefen voller „foolish choices“.

Ich zeige jetzt dem Algorithmus den Mittelfinger und zische ihm einen Van- der-Bellen zu: „So sind wir nicht!“. Ich beschließe, die Ärmel hochzukrempeln und mich von all diesen posttraumatischen Prinzen mit verbitterter Fettleber und den Heroinen, die wegen  närrischer Entscheidungen auf dem Irrweg ins Unglück auf dem Bahngleis oder im Vergiftungsinferno enden, zu befreien. Den einzigen Vorschlag, dessen Titel ich mir quasi wie ein seelisches Tattoo mitnehmen werde, ist irgendein bescheuerter Job-Empowerment-Knigge: „Problems a few – solutions so many.“ Alles andere ist primär (©Hansi Krankl)

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

Kommentare