Polly Adler: "Amore interrupta”
Überhöhte Erwartungen sind der Dünger für Enttäuschungen
Update mit einem in Geschlechtsangelegenheiten äußerst umtriebigen Uraltfreund, der mir seine in den letzten Monaten im Sprintgalopp absolvierten Affärbeziehungen (da sind die Grenzen ja oft fließend) in aller Ausführlichkeit schilderte. Nach ein paar Stunden beschlich mich der Eindruck, dass manche dieser Begegnungen tatsächlich weniger Zeit in Anspruch genommen hatten, als seine dazugehörigen Schilderungen. Der monothematische Monolog endete mit seinem Geh-Punkt aus einer Relation, die von der Seite der Dame aus zunehmend ins Klammern (in Würgegriffnähe) gedriftet war: „Die wollt‘ so vül 24/7.”
Und, wie war ihre Reaktion auf diese Amore interrupta? Es kam das Bonmotscherl: „Sie hat es genommen wie ein Mann und geweint.” Armes Mädchen, aber nichts Neues unter der Sonne: Überhöhte Erwartungen sind der Dünger für enttäuschungsbedingte Schmerzen. Tatsächlich scheint das Wunsch-Lebensmodell vieler Generation Boomer-Männer häufig am einfachsten mit „Junggeselle mit Familienanschluss” beschrieben zu sein. Quasi in alter Karl-Kraus-Tradition, der der Überzeugung war: „Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben.”
Die süßen Millenials spalten sich in zwei Gruppen: Entweder sie sind topkonservativ mit Verlobungs-Pipapo und Büttenpapier-Hochzeitseinladungen ein halbes Jahr im Vorfeld. Oder sie sind richtig innovativ: Da gibt es das Konzept „Friends with benefits”, sprich Freundschaften mit gelegentlichem Sex, also alles sehr unaufgeregt; dann in Scheunentorweite offene Beziehungen, in denen jegliches Besitzdenken „sowas von yesterday ist”, und im Zuge des ganzen Genderfluid-Tralalas einen drallen Drang zur Bisexualität. Eine Freundin, die schon längst zwischen den Geschlechtern pendelt, meinte zu der Welle nur trocken an: „Ich möchte nix anderes. Es ist herrlich. Weil man kennt doppelt so viel Leut'.”
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