Die Vermehrung der Waschbären
Warum man für gewisse Feiertage nicht nur kämpfen, sondern auch nachhaltig erziehen muss
Mein Bruder und ich wurden schon zu Umweltschützern erzogen, da war Greta Thunberg noch nicht einmal in Planung. Heute ist es cool, auf die Natur zu achten. In unserer Neunzigerjahrekindheit war dem nur eingeschränkt so. Zuweilen hatten wir auf Familienspaziergängen Angst, Schulfreunden zu begegnen – wie würden die uns hänseln, wenn sie sähen, dass wir den Müll anderer Leute aufhoben?
Am wichtigsten war unseren Eltern jedoch, uns zum korrekten Umgang mit den eigenen Abfällen zu erziehen. Bis heute fungiert einer der Autoabstellplätze in der Doppelgarage meines Elternhauses als privater Recycling-Hof, um Plastik, Papier, Restmüll, Aluminium, Weißglas, Buntglas, Batterien, Sperr- und Biomüll zu trennen, wobei letzterer weiter in kompostierbar und nicht kompostierbar sortiert wird. Als wir zu klein waren, um diese Systematik völlig zu verstehen, brachte unser Vater den Hausmüll allabendlich in die Garage, um ihn per Hand zu trennen. Das brachte ihm den liebevoll gemeinten Spitznamen Waschbär ein, denn die wühlen auch gerne im Müll. Brüderchen und ich sind zwar mittlerweile ausgewachsene Recycler, doch wenn der Dottore Amore und ich zu Besuch sind, bringt mein Vater abends persönlich den Mistkübel in die Garage.
Mein Vater liebt seinen neapolitanischen Schwiegersohn, misstraut jedoch dessen Mülltrennungsfähigkeiten. Zu Recht. Vier Jahre, viel Liebe und noch mehr Geduld benötigte ich, um ihm das Trennen von Papier, Glas und Restmüll beizubringen. Zurzeit arbeiten wir am Biomüll, und irgendwann werden wir seinen Endgegner bezwingen: den Gelben Sack. Bis dahin durchwühle ich zuweilen die Mülltonnen, ob ich falsch recycelte Abfälle entdecke. Denn wir haben nur diesen einen Planeten. Und wie ich an mir selbst merke, wenn ich bis zu den Schultern in der Mülltonne hänge: Seine Waschbärenpopulation vermehrt sich rasant.
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