Kopfball: Ehe-Drama per Katalog

Es gibt nur einen Grund, der mich dazu bewegen kann, eine Handtasche zu tragen: Meiner Frau ist ihre zu schwer geworden.

Von Jürgen Preusser

Freitag, 15 Uhr, Terrasse. Mein Nachbar, der Plötz, wirft seinen Rasenmäher an wie vor einem halben Jahrhundert seine auffrisierte Husqvarna. (Nein, nicht Nähmaschine, sondern Schusterflugzeug.) Doch nicht die akustische Komponente lässt den Milchschaum auf unserem Kaffee in sich zusammenfallen, sondern die optische.

Plötz trägt ein gackerlgelbes kurzärmeliges Hemd mit violetten Tulpen zu violetten knielangen Bermudas mit gackerlgelben Tulpen. Veredelt wird dieses Ensemble durch weiße Socken in Sportschuhen, die in der Schockfarbe der MA-48-Uniformen leuchten. Selbige sollen wohl verhindern, dass sich der Plötz selber über die Zehen rattert.
Hätte der Rasenmäher eine Seele, würde er sowieso durch das Loch im Zaun abhauen, um sich ein neues Zuhause zu suchen. Meine Frau sagt ansatzlos: „Du brauchst neue Freizeitkleidung.“ Sie zaubert einen bunten Katalog aus ihrem Fundus und zwingt mich, Sachen anzuschauen, indem sie mit Nahrungsentzug droht. „Ein Zweiteiler“, ergänzt sie.

Ich befürchte, dass sie damit einen zweiten Katalog meint. Also noch so ein monumentales Werk in der Stärke jener Telefonbücher, die der Freistilringer Big Otto Wanz einst für das Guinness Buch der Rekorde zerfetzte. Doch nein! Es kommt noch schlimmer: Mit Zweiteiler meint sie eine harmonierende Hemd-und-Hose-Kombi. „Schade“, sage ich traurig. „So knapp vor unserem vierzigsten Hochzeitstag.“ Tatsächlich ist sie mir in diesem Augenblick so fremd wie zum letzten Mal vor gut dreißig Jahren. Damals hat sie laut über den Verkauf meines Segelbootes nachgedacht. Doch plötzlich lacht sie laut auf. „Haha! Du hast wirklich geglaubt, dass ich das mit der Freizeitkleidung ernst meine?“

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