Wenn es rinnt, reift und riecht

Wie man an heißen Tagen den Fortbestand der Menschheit durch ein kleines Opfer unterstützen kann

Ein befreundeter Gynäkologe erklärte mir neulich, der ausgeprägte Geruchssinn, unter dem die meisten Schwangeren leiden, sei etwas Tolles: „Die Menschheit wäre ohne ihn ausgestorben. Er half, Genießbares von Ungenießbarem zu unterscheiden und Nahrung zu finden. Sei stolz auf deine Nase!“

Solche Sätze können nur unschwängerbare Männer sagen. Für Schwangere im 21. Jahrhundert ist nicht die Nahrungssuche das Problem, sondern die Entscheidung, welchem der Essensgerüche man folgt. Oder es auszuhalten, wenn der eine Duft, der plötzlichen Urhunger auslöst, von einem Grillhenderlwagen stammt – der Sportplatz oder Supermarktparkplatz, auf dem er steht, allerdings unauffindbar ist.
 Versehentlich Ungenießbares zu essen, passiert auch selten. Vor allem, wenn man wie ich mit jemandem verheiratet ist, der regelmäßig auf Kühlschrankrazzia geht, weil er „mindestens haltbar bis“ liest, aber „sofort tödlich ab“ versteht. 

Die größte Herausforderung für diesen Geruchssinn sind jedoch die Öffis im Sommer. Neulich bestätigte eine Umfrage, was alle, die viel öffentlich reisen, längst wissen: Hierzulande verwenden zwar 71,5 Prozent der Frauen ein Deodorant, allerdings nur 57,7 Prozent der Männer. Auch wenn ich schon so hochschwanger bin, dass man mir Platz macht – die süßsaure Schweißnote weicht nicht so schnell, wie der Herr, der sie über den Tag hinweg unter den Achseln heranzüchtete. Schweiß ist etwas Tolles. Er ist das Zeichen echter und ehrlicher Anstrengung, kein ordentliches Liebesspiel kommt ohne ihn aus, aber sollten Sie zu denjenigen gehören, die ihn rinnen, reifen wie riechen lassen, dann denken Sie doch an diejenigen, die unsere Spezies mehren müssen. Gönnen Sie dem eigenen Achselhaar zumindest in öffentlichen Räumen eine Duftpause. Vielleicht mag das ein Opfer sein, aber es wird erbracht für den Fortbestand der Menschheit!

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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