Vorausschauendes Arbeiten für Anfänger
Vom Leben mit der imaginären Hochdruckpistole am Kopf und seinen unpopulären Vorteilen
In der Schule, an der Uni, in allen Jobs: Überall gab es diese eine Kollegin, die zwei bis drei Tage vor einer Prüfung, einer Präsentation etc. mit sämtlicher Vorbereitung fertig war. Mich ließ das stets neidvoll erblassen.
Seit Ewigkeiten träume ich davon, am Abend vor einem Abgabetermin einen Film zu schauen, anstatt hektisch in die Tasten zu hämmern. Oder vor einer Reise gemütlich einen Kaffee zu trinken, anstatt noch schnell Blumen zu gießen, während draußen der Taxler hupt. Anfang des Jahres nahm ich mir vor, zumindest mein neues Manuskript acht Wochen vor der Geburt von Bambino II abzugeben, um dann etwas zu erleben, was ich bisher nur vom Hörensagen kannte. Es nennt sich Mutterschutz und bedeutet, dass die Hochschwangere die letzten Wochen vor Doomsday mit Entspannung verbringt.
Das wird allerdings nix, denn am neuen Roman muss noch einiges geändert werden – wahrscheinlich werde ich ihn im Kreißsaal abgeben. So wie zwei Kolumnen und einen Essay vor der Geburt von Bambino I, ich erinnere mich: Das Kreißsaal-WLAN ist sehr gut. Entspannt geht anders.
Aber leider schreibe ich nicht besonders kreativ, wenn ich entspannt bin. Mein Gehirn funktioniert am besten unter Druck. Das ist heutzutage nicht sonderlich modern. Angeblich geht es den meisten Menschen um ein entspanntes Arbeitsumfeld, freundliche Chefs, wenig Druck, viel Freizeit. Ich versteh’ das theoretisch. Aber praktisch muss ich sagen: Der Nervenkitzel, den eine imaginäre Hochdruckpistole am Kopf erzeugt, hat schon etwas. Und wenn man dem Druck standgehalten und „es“ geschafft hat, rauscht das Adrenalin, platzen die Endorphinballons, ist das Leben einfach nur schön. Zumindest kann man sich das beim Zieleinlauf einreden, wenn man selbst noch schwitzt, während die, die etwas besser voraus geplant hatten, entspannt das Schampusglaserl schwenken.
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