Vier Generationen unter einem Dach

Warum Bevormundung zuweilen auch höchst erholsam und ein großartiges Geschenk sein kann

Da sich der Einzug in unser Häuschen verspätete, unser Kind zu früh kam, jedoch der Termin für den Auszug aus der Mietwohnung unverändert blieb, übersiedelten mein Mann, unser Sohn, der Hund und ich von der Geburtenstation direkt zu meinen Eltern. Kaum angekommen, bekam ich schon Hausarrest: „Es heißt Wochen-BETT, also bleib liegen.“ Damit ich auch brav bliebe, wenn alle in der Arbeit wären, wurde sogar meine Großmutter ins Haus geholt, um den Kleinen in den Stillpausen zu hutschen. „Du musst dich ausruhen“, sagten Mama/Oma und Oma/ Urlioma, sobald ich etwas unternehmen wollte. Die ersten Tage wehrte ich mich. Wenn man 32 Jahre lang nach einem selbstbestimmten und selbstständigen Leben strebt, ist es nicht leicht, sich plötzlich in die Familienobhut zu fügen. Vor allem, wenn nicht nur eine (Groß-)Mutter, sondern auch eine (Ur-)Großmutter andauernd anmerken, dass das eigene Kind zu warm oder zu kühl angezogen sei, die Windel zu fest oder zu weich gewickelt und das Weinen aus Hunger oder Übersättigung resultiere.

Doch nach zwei Wochen der Ruhe und Erholung, in denen sich meine Mutter um Wäsche, Essen, Hund wie auch Baby-Schulung des Gatten kümmerte, und meine Oma stundenlang am Herd saß und das Butzi hutschte, wie es schon ihre Mutter mit mir und deren Mutter mit meiner gemacht hatten, verstand ich, was das Tolle daran ist, mit einer Großfamilie leben zu dürfen: Familie weiß manchmal besser, was man braucht, weil ihre Angehörigen vieles bereits erlebt bzw. durchlebt haben. Ich beobachtete meinen Buben, der zufrieden von einem Familienmitglied zum nächsten gereicht wurde und dachte: Selbst wenn ich als Mutter alles falsch machen sollte, eins hab ich zweifelsfrei richtig gemacht: Ihn in eine liebende und unterstützende Großfamilie gebracht, die immer wissen wird, was er braucht. Und manchmal sogar besser als er selbst.

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Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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