Fabelhafte Welt: Die Männerselbsthilfegruppe

Warum nicht alle Männer darunter leiden, wenn sich die Familiendynamik ändert.

In den letzten Wochen vor der Bambino-II-Ankunft las ich viele Artikel darüber, wie man das Familienleben harmonisch gestalten kann, obwohl sich die Dynamik massiv verändert. Ich las, dass besonders Männer darunter leiden, rund um die Ankunft eines Zweitkindes weniger Aufmerksamkeit zu bekommen. Oft kämen sie damit sogar schlechter zurecht als das ältere Geschwisterkind. 

Neulich, es war neun Uhr am Abend, fragte ich deshalb meinen geliebten Gatten: „Kommst du mit ins Bett, kuscheln? Ich gehör’ ganz dir!“ – „Nein, ich werd noch ein bissi fernschauen“, sagte er. Und dann entrutschte ihm: „Außerdem muss ich noch mit dem Hund kuscheln, den hab ich den ganzen Tag noch nicht gesehen.“

Ich beobachtete das Stillleben vor mir: Kaum, dass ich aufgestanden war, war der Hund aufs Sofa gehopst – dorthin, wo ich den Platz angewärmt hatte. Unser Hund ist ein niederfluriger Terrier, schafft es aber, mehr Raum zu beanspruchen als ein Schäfer. Ausgestreckt lag er Flanke an Flanke am Dottore Amore, maximaler Fellkontakt, mein Gatte kraulte ihm genüsslich den Kopf. Als ich eine Stunde früher gefragt hatte, ob er mir die Füße massiere, hatte er sein Handy gezückt und gemeint, er müsse noch zwei Patienten schreiben. „Du willst lieber mit dem Hund Zeit verbringen als mit mir? Was heißt heute noch gar nicht gesehen? Ihr wart zwei Mal lang spazieren – ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann wir das letzte Mal Zeit zu zweit hatten!“, empörte ich mich und jetzt erst wurde mir bewusst: Als er heimgekommen war, hatte er zuerst Bambino I begrüßt, dann den Hund, dann mich. 
Ja, es ist schwer, dass alle Mitglieder einer Familie genug Aufmerksamkeit erhalten, wenn ein weiteres unterwegs ist. Aber um meine Männer muss ich mich nicht sorgen. Die haben scheinbar eine Selbsthilfegruppe gegründet und beaufmerksamkeiten sich gegenseitig.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

Kommentare