Vea Kaiser

Fabelhafte Welt: Laternenumzüge und der Zahn der Zeit

Warum früher alles etwas freier war, aber nicht zwangsläufig besser, vor allem wenn offenes Feuer auf Kinderhände trifft.

Meine Mutter ist eine wunderbare Oma, die ihre Enkerl über alles liebt. Großen Respekt hatte ich, dass sie nicht einmal schrie, als Bambino während einer kurzen, aber heftigen Beißphase seinen Zahnabdruck in ihrem Oberarm verewigte. Dass Omasein aber auch schwer ist, merke ich, wenn meine erzieherischen Maßnahmen ("Wir essen so spät keinen Kuchen mehr!") in direkter Konkurrenz zu dem stehen, was Bambino möchte ("KUCHEN JETZT!"). Oder wenn sie miterleben muss, dass vieles, was einst als Wundermittel beschworen wurde ("Bernsteinketterl!!!") heute verpönt ist ("Strangulationsgefahr!!!“". 

Zuweilen stößt es auch mich vor den Kopf, wie sich die Welt verändert hat. Dass ich Bambino am Welttierschutztag nur Fotos unseres Hundes mitgeben durfte, anstatt wie zu meiner Kindergartenzeit den ganzen Hund, verstehe ich. Aber dass selbstgebackene Geburtstagskuchen verboten sind, und nur gekaufte Torten gebracht werden dürfen (in Originalverpackung und mit Kassenbon), irritierte mich. 

Unlängst bastelten wir eine Laterne. Bzw. wir wurstelten mit der Heißklebepistole, bis Bambino das Interesse verlor. Bis weit nach Mitternacht futzelte ich herum, um die perfekte Kerzenhalterung einzubauen. Als ich am nächsten Tag erfuhr, dass man zum Laternenumzug nur Laternen mit LED-Teelichtern bringen darf, wurde ich wütend: "Nix darf man mehr!“"

Der Dottore Amore lächelte: "Eine Frechheit, dass die Zweijährigen keine Chance bekommen, die Jacken der Nebenkinder anzukokeln." Ich schmollte: "Früher hatte man mehr Freiheit." "Und war deshalb alles besser?" Ich erinnerte mich an einen Laternenumzug, der mit einem Feuerwehreinsatz endete. In den Folgejahren sangen wir zur großen Verzweiflung der Lehrerin: Dort oben leuchten die Sterne, hier unten brennen wir. Also rüstete ich kleinlaut die Laterne meines Sohnes auf LED um.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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