Fabelhafte Welt: Hasenställe ohne Hasen
Ein österliches Meditieren darüber, was von uns bleibt, wenn wir nicht mehr sind
Bis ich ins Gymnasium kam, lebten wir in einer Einliegerwohnung im Haus meiner Großeltern. Es gab mehr als genug Quadratmeter, aber manche Familien funktionieren wie üppige Hausmannskost: Ein großes Geschenk, wenn man sie gelegentlich oder zu besonderen Anlässen genießt, aber unverdaubar, bekommt man sie jeden Tag vorgesetzt. Also bauten meine Eltern andernorts und meine Großeltern walteten allein über ihr weiträumiges Reich. Mittlerweile sind Oma wie Opa verstorben.
Das Haus wird die Chance bekommen, dem Glück anderer Menschen Raum zu geben, doch davor muss es ausgeräumt werden. Die Großeltern waren Kriegskinder, geprägt von Angst und Armut. Um beides nie wieder erleben zu müssen, hoben sie alles auf, was ihnen in die Hände kam. Wer weiß, wofür man das noch brauchen kann. Viele Mitglieder dieser Generation bauten nicht nur ein Land neu auf, sondern lagerten in Schupfen, Kellern und Dachböden genug Material, um es notfalls nochmals aufbauen zu können. Mittlerweile räumen wir seit über einem Jahr.
Wir fanden unnützen Nippes, der Wert bekam. Einst Wertvolles, für das sich niemand mehr interessiert. Nützliches, das so lange darauf wartete, gebraucht zu werden, dass man es nun nicht mehr benutzen kann. Hasenställe für Hasen, die nie gehalten wurden. Stapelweise Gläser und Teller für Partys, die man feiern wollte, aber nie Zeit dazu fand. Diese Woche werden wir wieder räumen. Wenn ich daran denke, überkommt mich die Wehmut. Nicht, weil Altes wegmuss, damit Neues entstehen kann. Nicht, weil es mich an meine Kindheit erinnert, sondern aufgrund jener Erinnerungen, die nie zustandekamen. Das wurde mir bewusst, als wir eine hochwertige, aber unbenutzte Bar verschenkten. Egal, mit welchen Gütern wir uns umgeben. Was bleibt, sind einzig die Erinnerungen, zu denen sie uns führten. Güter gehen schweigsam ihrer Wege.
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