Fabelhafte Welt: Das kleine bisschen Hilfe
Was man von einem Rutschauto über den Umgang mit dem Zustand der Welt lernen kann
Neulich unterbrach mein Zweijähriger sein Fädelspiel, in das er hochkonzebtriert versunken war. Er stapfte zu mir und sagte mit hochheiligem Ernst: "Kindergarten Lotti geschiebt!“ Es war das erste Mal, dass mir mein Sohn ungefragt ein Kindergartenerlebnis erzählte. Bisher hatte er sich Informationen über seinen Vormittag aus der Nase ziehen lassen und sich – ganz Arztsohn – vor allem auf Verletzungsmeldungen konzentriert: "Luca gestolpert!“, "Anna geweint!“ oder "Erik gebeißt!“ Die Unfälle und Vorfälle, die er berichtete, hatten meist gar nichts mit ihm zu tun, er hielt sie nur für besonders besprechenswürdig. Doch nun, so lernte ich nach längeren Nachfragen, erzählte er mir, dass er ein jüngeres Mädchen namens Lotti auf dem Rutschauto über den Hof geschoben hatte.
Weil Lotti sehr klein ist, und das Rutschauto noch nicht ohne Hilfe in Bewegung setzen kann. Mir ging das Herz über vor Rührung, insbesondere, weil ich gerade damit beschäftigt gewesen war, Zeitung zu lesen. Und wahrscheinlich spreche ich auch für Sie, wenn ich schreibe: Zu viele Nachrichten dieser Tage, Wochen, Monate lassen das Herz mit jeder Zeile ein bisschen mehr brechen. Das feinfühlige Kind spürte das und wollte mir etwas Schönes erzählen, wie, dass es sogar unter den kleinen Leuten, die für die einfachsten Tätigkeiten wie Socken-Anziehen selbst Hilfe brauchen, selbstverständlich ist, anderen zu helfen, wenn man kann. Sie machen so viel richtig, diese Zwerge. Vor allem indem sie besprechen, was ihnen am Herzen nagt. Sich in Anbetracht des Leidens anderer hilflos, geängstigt, traurig zu fühlen, ist natürlich. Ebenso die fröhlichen Seiten des Lebens wertzuschätzen, dabei aufeinander zu schauen und das kleine bisschen Gute zu tun, das man im Alltag tun kann. Beides ist Ausdruck von Empathie. Und dort, wo Empathie ist, ist immer auch Hoffnung.
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