Vea Kaiser

Fabelhafte Welt: Über Aussprache und Essbesteck

Warum man nicht darüber nachdenken will, wie die Mitglieder der Bundesregierung ein Steak halte

Wenn Politikerinnen ohne Not englische Fachausdrücke verwenden, ärgert mich das. Volksvertreter sollten sich dem Volk verständlich ausdrücken. Sich Mühe geben, damit wir sie mühelos verstehen. Ich allerdings habe momentan große Mühen, denn in der Bundesregierung geistert ein neues Lieblingswort herum: Stakeholder. Stakeholder bezeichnet Interessensvertreter. 

Bei den bundesregierung’schen Aussprache-Variationen denkt man allerdings an etwas anderes. „Wir werden uns mit allen Stakeholdern zusammensetzen“, hörte ich den Kanzler sagen. Es klingt, als beabsichtige er, mit muskulösen Männern zu tafeln, die blutige Steaks auf überdimensionierten Gabeln halten.

Spricht die Justizministerin davon, die „Stakeholder“ zur Verantwortung zu ziehen, klingt es, als wolle sie mit fein geschliffenem Essbesteck alle pieksen, die sich bei Tisch nicht benehmen. Will die Jugendstaatssekretärin „die Stakeholder einbinden“,  muss man fürchten, sie plane mit Blaskapelle und Schützenverein ein Rind im Bierzelt zu zerlegen. Die Beratungen der Verkehrsministerin mit „Stakeholdern“ klingen nach einem Sesselkreis, wo Erbsenlaibchen auf Bambusspießen serviert werden und man sich von Prolo-Buben erzählt, denen als Kind zu wenig vorgelesen wurde, weswegen man ihnen das aufgemotzte Auto wegnehmen muss. 

Woraufhin alle lachen und mit dem Lastenfahrrad davonfahren. DAS und nicht tagespolitische Fragen sehe ich vor meinem inneren Auge, wenn ich Regierungsmitglieder von „Stakeholdern“ sprechen höre. Dabei will ich doch wissen, was sie tun. Nicht darüber nachdenken müssen, wie sie ihr Steak halten. Die beste Wortwahl ist meist die einfachste. Auch wenn das zu folgenden Sätzen führt, wie einst aus Regierungskreisen zu hören, bevor man das unsägliche Vokabel Stakeholder erlernte: „Da reden wir dann mit alle denen, die was das was angeht.“

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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