Vea Kaisers Kolumne: Geräuschdämpfer für Aperolgläser
Ein Plädoyer zur Sommermitte, auch an diejenigen zu denken, die im Inneren übersommern
Eine der schlechtesten von vielen schlechten Entscheidungen meines Lebens war, einen Roman zu Sommerende abzugeben. Es gibt Menschen, die hätten diesen Abgabetermin im Winter ernst genommen und eifrig gearbeitet. Und dann gibt es solche wie mich. Die sich so lange nicht unter Zeitdruck wähnen, bis sie unter massiven Zeitdruck geraten. Es ist wirklich gemein, wie schnell aus dem Satz Ich hab eh noch Zeit der Satz Ich hab keine Zeit mehr wird.
Seit es draußen schön ist, sitze ich vor dem Manuskript. Auf dem Weg in die Bibliothek sehe ich vergnügte Horden, die im Bollerwagen die Ausrüstung für einen Tag am Wasser hinter sich herziehen. Am Heimweg klirren die Aperolgläser in den Schanigärten, nur für mich heißt es Nachtschicht statt Sommerspritz. Wenn man nicht an diesem gesamtgesellschaftlichen Spaßprojekt namens Sommer teilnimmt, fühlt man sich schnell einsam. Daher sei denen, die in Innenräumen übersommern, zugerufen: SIE SIND NICHT ALLEIN!
Sommer wird überbewertet. Zecken, Gelsen, Wespen: Die Fauna ist dem Menschen nicht wohlgesonnen. Eis schmeckt drinnen besser, als wenn es von der Glutsonne geschmolzen am Körper runterrinnt, bis die Ameisen raufklettern. Großraumbüroklimaanlagen kühlen besser als Freibäder, wo es entweder nach Chlor oder Lulu riecht. Von Wassermelonensalat und Limoncello-Spritz hat man auch schnell genug.
Wenn Sie diesen Text also nicht auf einer malerischen Außenterrasse im Grünen lesen, dann fühlen Sie sich umarmt – ohne Sonnencremefilm und garantiert schweißfrei. An alle Sonnengebräunten: Nehmen Sie Rücksicht auf die, die den Sommer (un)freiwillig auslassen. Wir gönnen Ihnen alles Glück, aber es wäre sehr nett, wenn Sie vorbeigehend an uns Käsebroten so tun könnten, als ob Ihnen das Leben keinen Spaß macht, ehe Sie sich hinter der nächsten Ecke wieder dem Sommerglühen hingeben.
Weitere Infos: www.veakaiser.de
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