Männer, Frauen und der Faktor Drei

Warum der Kampf um eine gleiche Aufteilung der Hausarbeit zuweilen mit mathematischen Formeln geführt wird.

In Butzis ersten Lebensmonaten war seine Betreuung meine Aufgabe. Dann ging der Dottore Amore in Karenz. Als glühender Feminist ist er natürlich bereit, 50 Prozent der häuslichen Arbeiten zu übernehmen. (Zumindest seit wir einen Hauskredit haben, den ich zu 50 Prozent decken muss). Neulich traf ich meinen karenzierten Liebsten an der Kaffeemaschine. Stolz erzählte er: „Ich hab heute schon sechs volle Windeln gewechselt!“

Es war 9:30 und ich brach in Panik aus. Wenn unser Sohn in dreieinhalb Stunden Wachzustand bereits sechs große Windeln gefüllt hatte, dann musste er schwer krank sein. „Hast du den Kinderarzt erreicht?“ Hektisch lief ich los, um den Mutter-Kind-Pass zu holen. „Oder sollen wir direkt ins Krankenhaus?“, schrie ich, während ich mich hastig ankleidete und die Schlüssel suchte. Erst, als ich das Kind in die Autoschale setzen wollte, klärte er mich gnädigerweise auf, dass es genau genommen nur zwei Windeln waren. „Wieso sagst du dann sechs?“, schäumte ich. „Amore Mio“, antwortete er in jenem sülzigen Italian-Lover-Tonfall, den er verwendet, wenn er etwas angestellt hat. „Du bist so wunderschön. Du bist so talentiert, so bewundernswert.“ Ich roch den Braten. „Nix da mit Amore, wieso hast du mich angelogen?“
„Ich hab nicht gelogen, ich hab nur dank der Karenz verstanden, dass du besser bist als ich. Ich bin älter, unfähiger, und daher muss man alles, was ich zuhause leiste, mal drei multiplizieren, um es mit deiner Leistung zu vergleichen.“
Verdutzt fragte ich: „Versteh’ ich dich richtig: In den letzten Jahrhunderten mussten Frauen mehr Hausarbeit übernehmen, weil sich die Männer für stärker und besser hielten. Heute hingegen müssen Frauen im Haushalt mehr machen, weil sie von den Männer für stärker und besser gehalten werden?“
 Mein Mann nickte: „Da schau, du bist auch klüger als ich. Mindestens drei Mal so klug.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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