Abgesnobbt bei Tiffany

Erinnerungstrips, beflügelt durch „Just Like That”

Es öffnet die Wundertüte der Reminiszenzen: „Just Like That“, die Nachfolge-Serie von „Sex and the City“ lässt mich an jene Zeit denken, als sich mein Kind abends in meinen Bett-Daunen verkroch, weil es seine längst überfällige Dosis Hautkontakt einforderte. Der Fernseher stand im Schlafzimmer und immer wenn beim Hochamt aus New York Samantha ihre mechanische Rhythmusgymnastik mit einem „Random-Typen“, wie das Kind heute sagen würde, veranstaltete, bedeckte ich die Augen des Fortpflanzes mit einem Polster, um etwaige Sex-ohne-Liebe-Traumatisierungen zu verhindern. Ich war eine haltlos disziplinlose Mutter, denn natürlich hätte ich dem Fortpflanz eine glutenfreie Gute-Nacht-Geschichte vorlesen und ihn dann in sein Zimmer scheuchen müssen. Für pädagogisch Wertvolles war ich abends oft viel zu erschöpft. Als sie 14 war, fuhren wir nach New York und buchten damals (neben einem Mafia- und Lerne-die-Plätze-kennen-wo-sich-große-Schriftsteller-betranken-Sightseeingtrip) auch eine Sex-and-the City-Tour. Eine durch und durch erbärmliche Angelegenheit: Wir saßen in einem Bus mit kreischenden Frauen in Trevirahosen und  hohem Kunstnägel-Aufkommen, die nach dem Parfüm tiefster Provinz rochen, winkten dem Manolo-Laden von der Ferne zu und ließen uns bei Tiffany vom Türwächter („Die Silberabteilung ist im ersten Stock, Ladys“) absnobben. Die Abschluss-Cosmopolitans in einer Touri-Tränke in Soho waren so elend wie der ganze Ausflug. Und „just like that“ realisierte ich letzte Woche, in welchem Schweinsgalopp die Zeit davongesprengt war, und was für ein extrem anstrengendes, aber auch spaßtrunkenes Leben man schon absolviert hatte. Und, nein, Miranda, graue Haare und ein Gläschen Chablis am Vormittag, sind Abbiegespuren, die es unter allen Umständen zu vermeiden gilt. Es wird
gefärbt, bis der Arzt kommt. Und Chablis ist so 1998, dass man ihn eigentlich zu jeder Uhrzeit auslassen kann. So gesehen birgt auch die Sequel jede Menge Lernmaterial.

Polly Adler

Über Polly Adler

Polly Adler steht als Chaos-de-luxe-Kolumnistin auf dem satirischen Beobachtungsposten von Alltags-Irrsinn, Beziehungs-Herausforderungen und Brutpflege. Hinter dem Pseudonym versteckt sich die Wiener Journalistin Angelika Hager. Aus Polly Adlers verrückter Welt entstanden inzwischen acht Bücher, eine TV-Serie und diverse Bühnen-Shows, aktuell „Knietief im Glamour”: die Polly-Adler-Show im Rabenhof. Jeden Sonntag um 11 Uhr.

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