Warum gruseln wir uns so gerne?

Fragen der Freizeit... und Antworten, die Sie überraschen werden. Diesmal passend zu Halloween.

Jedes Mal wieder. So sicher, wie das Amen im Gebet. Wir machten uns mit einem herrlich kribbeligen Gefühl in der Magengrube auf, um das Fürchten zu lernen – und endeten hysterisch kreischend von felligen Gestalten umzingelt, die an Schrecklichkeit alles übertrafen, was sich Kinder vorstellen konnten. Diese Gruselnächte waren für uns im frühen Dezember, wenn die Krampus-Passen durchs Salzburgische zogen. Wobei die Bedrohung insofern real war, als die Herren mit den Hörnern damals keinesfalls bereit waren, Kinder nur pädagogisch wertvoll zu schrecken, um dann, bevor jemand zu weinen beginnt, in politisch korrekter Manier die Masken abzunehmen. Nein, sie legten ihren Stolz in die Aufgabe, die Ruten durch Einweichen und andere Tricks ganz besonders zum Schnalzen zu bringen.

Heute ziehen Kids zu Halloween durch die Gassen und erschrecken einander mit Begeisterung, bis ihre Eltern die Frage stellen, die auch schon die vorangegangene Generation ihren „krampusjagenden“ Kindern gestellt hat: „Warum gehts denn raus, wenn's euch so fürchtets?“ Aus demselben Grund, warum auch manche Erwachsene gerne Horror-Filme sehen – oder sich ins magenumdrehende Erlebnis einer Achterbahnfahrt stürzen: „Angstlust“. So bezeichnen Psychologen diesen eigentlich paradoxen Zustand, dass Menschen sich freiwillig prinzipiell unangenehmen oder gar negativen Gefühlen aussetzen, und daraus – eben – lustvolle Erfahrungen ziehen. Entscheidend dabei ist, dass wir uns für einen Augenblick vom Gefühl übermannen lassen, dass alles real sei.
Wenn uns kurz darauf klar wird, dass wir nicht wirklich in Gefahr sind, sorgt ein prächtiger Hormon-Mix aus Cortisol, Endorphinen, Adrenalin und Noradrenalin, dass uns schaurig schön zumute ist. Psychologe Peter Walschburger beschäftigt sich quasi hauptberuflich mit diesem Phänomen: „Wir können dabei gefahrlos erproben, wie gut wir beispielsweise mit Aufregung und Bedrohung umgehen können. Ein evolutionärer Vorteil, den vor allem Menschen haben, die als Kind genügend Urvertrauen aufgebaut haben und entsprechend selbstsicher sind.“

Frage der Freizeit

Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechselnd über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftigen.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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