Warum wir uns nach weißen Weihnachten sehnen

Viele verbinden die Weihnachtsfeiertage mit Schnee, obwohl der an Heiligabend hierzulande kaum fällt. Woran das liegt.

„Leise rieselt der Schnee“ – das  bekannte Weihnachtslied gibt den weit verbreiteten Wunsch nach dicken Schneeflocken, die am Weihnachtsabend vom Himmel fallen, wunderbar wieder. Und obwohl weiße Weihnachten in vielen Regionen Österreichs mittlerweile die Ausnahme darstellen, träumen nicht nur Kinder jedes Jahr vom „weihnachtlich glänzenden Wald“.

Die Wahrscheinlichkeit für Schnee an Heiligabend hat sich in den tiefen Lagen Österreichs in den vergangenen Jahrzehnten allerdings halbiert, wie eine Auswertung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zeigt. Laut Statistik der vergangenen 30 Jahre gibt es in den Landeshauptstädten nur alle drei bis sechs Jahre am 24., 25. oder 26. Dezember eine geschlossene Schneedecke. Am besten stehen die Chancen in Innsbruck und Salzburg, hier ist es alle zwei bis drei Jahre zu Weihnachten weiß.

Noch seltener ist, dass es an den Feiertagen schneit. „Neuschnee am 24., 25. oder 26. Dezember kam in den letzten 30 Jahren statistisch gesehen in Wien, St. Pölten und Eisenstadt nur alle zehn bis 15 Jahre vor, in Graz, Klagenfurt, Linz und Bregenz alle sechs bis acht Jahre“, sagt ZAMG-Klimatologe Alexander Orlik. Nur die Innsbrucker und Salzburger können sich alle drei bis vier Jahre über frischen Schnee zu Weihnachten freuen.

Wärmere Dezember

Orlik sieht zwei Gründe für die Zunahme grüner Weihnachten: „Zum einen brachten die 1960er Jahre viele relativ kalte Dezember. Das wirkt sich auf die Statistik stark aus. Von 1961 bis 1965 zum Beispiel war Österreich zu Weihnachten fast flächendeckend weiß.“ Zum anderen sei der wenige Schnee auch eindeutig eine Folge der Klimaerwärmung. „Der Dezember ist in Österreich seit den 1950er Jahren um 1,0 bis 1,5 Grad Celsius wärmer geworden. Das hat Einfluss auf die Schneelage zu Weihnachten, weil es öfter regnet als schneit beziehungsweise gefallener Schnee schneller wieder schmilzt“, weiß Orlik.

Doch obwohl grüne Weihnachten in vielen Teilen Österreichs mittlerweile die Regel sind, ist der Traum von Schnee an Heiligabend nicht aus der Weihnachtszeit wegzudenken. „Schnee steht für Ruhe. Er dämmt die Geräusche, die Farben verändern sich. Wien wird zum Beispiel weniger grau, es glitzert, wenn das Licht auf den Schnee fällt. Gerade in der Weihnachtszeit, in der wir sehr viele Reize zu verarbeiten haben, ist die Aussicht auf etwas Ruhe verlockend“, sagt Psychologin Christina Beran.
Hinzu kommt, dass Weihnachten sehr stark mit Bildern verknüpft wird, besonders aus der Kindheit. „Wir erinnern uns aber romantisiert, die Erinnerungen werden möglicherweise emotional idealisiert. Es wird so abgespeichert, wie Weihnachten aus unserer Sicht so ein soll – wie es in der Realität wirklich ist, macht nichts“, so Beran.

Gefestigt wird diese Idee sehr stark durch Filme, Musik und Werbung. Im Weihnachtslied „White Christmas“ besingt Bing Crosby den Traum von weißen Weihnachten seit den 1940er Jahren massentauglich und sorgte für die bisher meistverkaufte Single weltweit. Schaufenster werden jedes Jahr mit Kunstschnee dekoriert, TV-Spots verlagern sich in wundervolle Winterlandschaften.

Inneres Kind

Und das obwohl die biblische Geschichte keinerlei Hinweis auf Schnee im Stall von Bethlehem liefert. Erste Darstellungen, die Weihnachten mit Schnee verbinden, tauchten im 19. Jahrhundert auf, zur Zeit der Romantik und des Biedermeiers und zeigen etwa den Weihnachtsmann wie er durch einen tief verschneiten Wald stapft. Dieses romantische Bild zieht sich bis heute fort. Für viele sollen die Weihnachtsfeiertage gemütlich, friedlich, traditionell sein – und eben weiß, so Beran. „Man darf nicht vergessen, dass Weihnachten mit vielen Werten aufgeladen ist. Unsere inneren Kinder mögen das schon auch noch gerne und werden da ganz lebendig. Wir können uns sehr gut an diese Zeit in der Kindheit erinnern, an die Geschichten, das Magische, wenn das Christkind kommt.“

Die Freude, die Kinder im Schnee haben, übertönt den Frust, den mancher Erwachsene vor allem in der Stadt damit erlebt. Die Sehnsucht nach „früher“ ist in der Weihnachtszeit stärker. „Insbesondere jetzt, in der Pandemie, wo es vielleicht nicht so ist, wie man es sich wünscht, rückt das Negative aus der Vergangenheit in den Hintergrund und wir nehmen alles etwas idealisierter wahr.“ Häufig falle der Satz „Kannst du dich erinnern, wie schön das war?“.
Die Sehnsucht steige, je seltener es tatsächlich zu Weihnachten schneit. Für heuer besteht noch Hoffnung: Zwar ist es  zu früh für detaillierte Wetterprognosen, laut ZAMG ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich der weiße Traum 2021 auch in tiefen Lagen erfüllt.

Elisabeth Gerstendorfer

Über Elisabeth Gerstendorfer

Redakteurin Gesundheit, Wissen Studierte Psychologie und Soziologie in Wien. Journalistenkolleg des Kuratorium für Journalistenausbildung in Salzburg. Seit 2013 bei KURIER im Ressort Lebensart. Zuvor u.a. tätig für Presse, Schaufenster und Österreichische Ärztezeitung.

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