Warum schauen wir eigentlich so gerne aufs Wasser?

Es glitzert, zieht unsere Blicke bis zum Horizont oder ans nächste Ufer: Ob See, Meer oder Pool - mehr Entspannung geht kaum

Sachen gibt’s, die glaubt man nicht. Würden Sie etwa ein Zwei-Stunden-Video auf Youtube anschauen, auf dem die einzige Kameraeinstellung ein tropischer Strand am Meer ist? Dazu nichts als den Klang der Wellen? Oder einen Film mit der Szene: Wasser rauscht den Berg hinab, und zwar mit gewaltigem Getöse? Nun, vielleicht würden Sie ja. (Sie können ja am Schluss der Kolumne mal einen Blick reinwerfen ;) Immerhin wurde der tropische Strand bereits fünf Millionen mal aufgerufen, der Wasserfall sogar 19 Millionen mal geklickt. Die englische Umweltpsychologin und Buchautorin Deborah Cracknell („Die Kraft des Meeres“, Dorling Kindersley Verlag) kann dieses Interesse an solchen Videos kaum erstaunen. Sie ist überzeugt, dass auch CDs mit Meeresrauschen eine gute Sache sind, „es ist wissenschaftlich belegt, dass Meeresrauschen die Gehirnströme verändert“. Und zwar so, dass wir besser entspannen.

Wir wollen am See sitzen oder am Fluss, am liebsten aber am Strand, erste Reihe barfuß am Meer. Sogar das Freibad ist besser als nichts. Jeder kennt dieses Gefühl, beim Blick über die glitzernde Oberfläche eine Zeit lang aus der Zeit zu fallen, Alltag, Sorgen und Stress zu vergessen. Für ein Zimmer mit Meerblick sind wir sogar bereit, ein paar Scheine mehr draufzulegen.

Schon der Weg zum Wasser beflügelt. „Wenn man sich dem Meer nähert und das erste Fleckchen Blau entdeckt, kann allerlei passieren“, so Cracknell. „Man lächelt, atmet tief durch oder beschleunigt seinen Schritt, weil man sich darauf freut, die aromatische Seeluft einzuatmen sowie Sonne und Wind im Gesicht zu spüren.“

Wir können über die Wasseroberfläche direkt in unsere eigene Seele schauen. Das wusste schon der Schweizer Psychologe C. G. Jung, laut dem das Meer in unseren Träumen und Fantasien für das Unbewusste steht. Eigentlich logisch, wenn wir also am Ufer sitzend uns selbst wieder näher kommen. Das passt zu einer englischen Studie mit 22.000 Teilnehmern, die ergab, dass sich Menschen umso besser fühlen, je näher sie an einer Küste oder an einem Strand leben. Ist nur Land in Sicht, geht der schnellste Weg dorthin eben per Mausklick.

Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

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