"ÜberLeben": Im Sommer mag ich alles, vor allem den Sommer
Im Sommer möchte ich die Welt umarmen, die mir sonst so fremd vorkommt.
Ich mag den Sommer. Im Sommer wachsen Sonnenblumen, Sommerspritzer, Sommertheater und Open-Air-Rockkonzerte. Der Sommer riecht gut – er riecht nach Regentropfen auf heißem Asphalt, nach frisch gemähten Wiesen, nach in Tiroler Nussöl frittierten Pommes frites. Er sieht aus wie Schwalben am Gewitterhimmel, Sonnenbrand auf der Nasenspitze, wie meine Freundin im Jeansrock. Er hört sich an wie Beachvolleyball am Nachmittag, wie das Zeltfest auf der anderen Seite der Badner-Bahn-Schienen, wie Donnergrollen um zwei Uhr früh (oder ist es ein Moped mit Fehlzündungen?). Und er fühlt sich an wie das erste Bier nach einer Klettertour, wie die Stones im Ohr, wie kaltes Salzkammergutwasser auf der Haut.
Im Sommer mag ich alles, was zu mögen mir sonst schwerfällt: Das Wetter, die Menschen, Schweinsbraten oder Bananeneis. Im Sommer mag ich es sogar, wenn mich die Vögel um fünf Uhr früh aufwecken. Ich mache dann das Fenster noch weiter auf, starte den Laptop und schreibe eine Kolumne über den Sommer.
Ich habe auch gelernt, nicht mehr öffentlich zu sagen, dass ich mich bei 35 Grad Celsius am wohlsten fühle, denn da kriegt man leicht einen Stuhlsturm im Internet ab, weil man nicht was anderes heuchelt.
Im Sommer bekomme ich sogar Lust, etwas Neues zu lernen – heuer ist es Jonglieren. Das mit den Bällen geht sich noch nicht aus, aber mit Tüchern klappt es schon sehr gut, jetzt bin ich zu Unterhosen übergegangen, die fallen schneller als Jongliertücher, man kann sie aber gut fangen.
Im Sommer fühle ich mich frei, fröhlich und am Leben. Im Sommer möchte ich die Welt umarmen, die mir sonst so fremd vorkommt. Das einzig schlimme am Sommer: Dass er irgendwann vorbei ist. Von mir aus könnte es immer Ende Juli sein. Das ist für mich die beste Zeit, die Zeit, für die es sich auszahlt, unschöne Dinge im Leben zu ertragen, etwa November, März oder Jänner. Ganz besonders Jänner.
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