Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Wer bin ich, und warum nicht?

Sie sehen aus wie Guido Tartarotti!

Unlängst sagte eine Frau im gelben Kleid zu mir: „Sie schauen ein bisschen aus wie Guido Tartarotti.“

Und ich dachte mir: Das ist mein Schicksal. Ich schau mir ähnlich. Aber nur ein bisschen.

Manchmal werde ich gefragt, warum ich im echten Leben anders bin als in meinen Kolumnen. Nun, das liegt daran, dass ich ein echter Mensch bin, und der in den Kolumnen ist eine Figur. Und das ist gut so: Ich will ja nicht, dass mich jeder kennt.

Obwohl: Auch das hilft nicht immer. Vor fast 20 Jahren hat mich eine fremde Frau angesprochen und gesagt: „Du bist doch der Bruder von Guido Tartarotti.“ Ich habe wahrheitsgemäß geantwortet: Das bin ich nicht. Guido Tartarotti hat keinen Bruder. Ich muss es wissen, denn ich bin Guido Tartarotti. Worauf sie zu mir sagte „Das bist du nicht, denn ich kenne Guido Tartarotti“, sich umdrehte und ging.

Seitdem frage ich mich, ob ich mein eigener Bruder bin, ohne davon etwas zu bemerken. Oder, ob ich einen mir unbekannten Bruder habe, der sich als mich ausgibt.

Ein anderes Mal hat mir jemand auf der Straße gesagt, er sei enttäuscht von mir, weil ich für mein Kolumnenbild zu groß bin. Was machen wir denn jetzt, habe ich gesagt, er hat gesagt, er weiß es nicht, ich habe gesagt, ich weiß es auch nicht, und wir trennten uns mit einem merkwürdigen Gefühl der Irritation.

Einmal hatte ich einen Kabarett-Auftritt in Großwarasdorf. Vorher rief jemand beim Veranstalter an und sagte: „Stimmt das, bei  Ihnen singt heute der Totti?“  Man muss sich das vorstellen: Die italienische Fußball-Legende entschließt sich, zu singen, und zwar in Großwarasdorf.

Mein Sohn spielt Football, kürzlich wurde ein Spiel im Fernsehen übertragen, und der Reporter rief: „Tolles Tackling von Tartarozzi ... Tarazotti ...Trararotti!“ Und sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen gegenüber meinem Sohn, wegen des Namens.

Das höre ich öfter, sagte ich zu der Frau im gelben Kleid.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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