Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Dullerwampnrucken

Wie eine Flasche Maggi vielleicht mein Leben rettete.

Ich habe meiner Freundin eine Flasche Maggi-Suppenwürze zum Geburtstag geschenkt, und sie hat sich gefreut.

Alleine schon das Design erinnert an die Kindheit: Braune Flasche, gelbes Etikett. Sowas stand früher in jedem Gasthaus auf dem Tisch, zusammen mit Pfeffer, Salz und Zahnstochern, gerne auch miteinander verpickt: Wer eines davon aufheben wollte, hatte alle in der Hand.

Ich denke bei Maggi immer ans Weinviertel. Mein Vater wollte damals unbedingt in der Gegend von Mistelbach wandern gehen, und seitdem weiß ich, wie das Weinviertel aussieht: neblig. Es nieselte, es war kalt, man sah keine drei Meter weit. Wir wanderten, mein Vater schwärmte von Hügeln und Feldern und Kellergassen, aber man sah nichts außer Nebelsuppe. Nach einer Stunde hatten wir uns verirrt, als plötzlich ein Landwirt auf seinem Traktor vorbeifuhr. Mein Vater sagte „Mann der Scholle, gehe ich recht in der Annahme, dies sei der Weg nach Gurkenbruck?“, der Bauer antwortete „Jodo miasst’s ackerdurten Dullerwampnrucken doda. Afterpenzen Hackemaus“, spuckte aus und verschwand mit seinem rostigen Massey Ferguson wieder im Nebel.

Mein Vater sagte: „Ich glaube, wir sind richtig“, und wir wanderten feuchten Fußes weiter durchs Nirgendwo.

Stunden später erreichten wir halb verhungert eine Ortschaft, wo ein verfallenes Wirtshaus stand. „Hier bekommst du eine gute Suppe, weil du so brav gewandert bist“, meinte mein Vater. Wir nahmen Platz, und mein Vater sagte zu dem hydrantenförmigen Wirten: „Zweimal Nudelsuppe, bitte.“ Der Wirt antwortete „Leck mi am Oasch“ und servierte Suppe, die so aussah wie der Nebel draußen und auch so schmeckte.

Wir versenkten den Inhalt einer Maggi-Flasche in der gräulichen Flüssigkeit – und hatten danach das Gefühl, noch nie etwas so Köstliches gegessen zu haben.

Maggi ist ein Wundermittel, und vielleicht hilft es auch gegen Corona, schauen wir mal.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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