Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Der Nikolo und der Schneevogel

Wer nichts braucht, muss auch nicht beten.

Unlängst war wieder einmal Nikolaustag, und das hat mich an meine Kindheit erinnert. Ich  hatte als Kind nämlich furchtbare Angst vor dem Nikolo. Vor dem Krampus nicht, den fand ich lustig. Vor allem wusste ich, der Krampus war in Wahrheit der immer leicht besoffene Neffe von unserem Schulwart, der jagte mir keine Angst ein.

Der Nikolo hingegen war humorlos, ein wenig fragwürdig frisiert, fast wie ein Fußballer aus den Siebziger-Jahren sah er aus, ein bisschen wie der Willi Kreuz, vielleicht trug er ja deshalb ein Kreuz.

Jedes Jahr kam der Nikolo in unsere Schule, hatte ein großes goldenes Buch mit, in dem unsere Verfehlungen eingetragen waren, und führte ernste Gespräche mit uns. Und dann musste man ihm etwas vorbeten und bekam dann ein kleines Geschenk. Als meine Ex-Freundin ein Volksschulkind war, sagte sie zum Nikolo: „Ich bet’ nix, ich brauch a nix.“ Da hat er vermutlich blöd geschaut. Klingt jedenfalls nach einer sehr gesunden Einstellung, bei der man sich später viel Geld für den Therapeuten erspart.

Ich habe heuer dem Nikolo auch nichts vorgebetet, dafür bin ich dann doch schon ein wenig zu erwachsen. Dafür habe ich einen Schneemann gebaut. Ich bin nämlich draufgekommen, dass ich noch nie im Leben einen Schneemann gebaut habe. Ich nahm daher die Hilfe meiner Mutter in Anspruch, die jung genug geblieben ist, an dieser Aktivität Freude zu haben. Das Schneemannbauen war gar nicht so leicht, denn es war zu kalt, um Schneekugeln zu rollen. Aber mit vereinten Kräften schafften wir es. Da wir keine Karotte hatten, bekam der Schneemann ein Blatt als Nase und sah dann weniger wie ein Schneemann als  ein Schneevogel aus. Aber wir fanden den Schneemann toll und wunderschön. Der Schneemann trotzte dann noch eine ganze Woche dem Tauwetter, und ich war sehr stolz auf ihn.

Insgesamt: Ein gelungener Nikolotag.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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