Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Das geheimnisvolle Sackerl im Schnee

Gastein, Kitzbühel und das berühmte Skispringen am Hasenkamm.

Auf der Piste des Stubnerkogels liegt ein McDonald’s-Sackerl im Schnee, und das bringt mich zum Nachdenken. Der nächste McDonald’s befindet sich in St. Johann im Pongau, 36 Autokilometer und etliche Pistenmeter entfernt. Wie kam das Sackerl auf den Stubnerkogel? Hat sich jemand in St. Johann zwei Big Macs und eine Apfeltasche gekauft, fuhr mit dem Zeug eine Dreiviertelstunde ins Angertal in Bad Hofgastein, bestieg dort einen Lift auf den Stubnerkogel, wedelte oder pflügte die halbe Piste hinunter und setzte sich in den Schnee, um ein wenig zu jausnen? Oder hat eine Böe in St. Johann ein  Sackerl erfasst und über die Berge bis auf den Stubnerkogel getragen?

Oder hat gar jemand in St. Johann ein Fluggerät gechartert und das Sackerl über dem Stubnerkogel abgeworfen, vielleicht als zivilisationskritisches Statement? Ich werde es nie erfahren, und das verursacht mir ein  Jucken auf der Schädeldecke.

Ein bisschen später setzen wir uns  in eine leere Gondel, als ein deutsches Paar im letzten Moment zu uns in die Kabine springt. Die beiden beginnen sofort, sich in höchster Lautstärke angeregt zu unterhalten. Es geht darum, was ihnen alles im Gasteinertal nicht gefällt, der Schnee, die Berge, das Wetter, die Bierpreise, was auch immer. „Nächstes Jahr fahren wir wieder nach KitzBÜhel“, sagt er und betont Kitzbühel streng auf der zweiten Silbe. „Ja“, sagt sie und nickt. „Gibt es dort nich so’n berühmtes Skispringen?“ – „Nee nee“, antwortet er. „Das is’n Skirennen ... irgendwas mit Hase.“

Ich bin so verblüfft, dass ich nicht einmal etwas sage. Der zarte Lack unserer patriotischen Gesinnung hat einen hässlichen Kratzer bekommen: Kann es wirklich sein, dass jemand das berühmteste Skirennen der Welt nicht kennt, also DAS österreichische Wahrzeichen, gleich nach dem Herbert Prohaska seinem Simmeringer Dativ und dem Satz „Zweite Kassa, bitte!“?

In Kitzbühel gibt es übrigens einen McDonald’s, im Schatten des Hasenkamms.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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