Guido Tartarotti

"ÜberLeben": Beschädigter Hund

Als ich über einen Tisch sprang und auf einer Pfote landete.

Ich  habe den Hund meines Freundes G. beschädigt, und das kam so:

Wir saßen bei G. im Wohnzimmer und schauten Tennis im Fernsehen.  Als ich aufstehen wollte, übersah ich den gläsernen Couchtisch und stolperte. Geistesgegenwärtig schaffte ich es tatsächlich, über das Tischchen zu springen – und landete auf der Pfote des Hundes. Der Hund, darüber zu Recht empört, brach in ein gewaltiges Jaulen aus. Ich stammelte: „Es tut mir so entsetzlich leid.“

G. packte den Hund in eine Decke und fuhr sofort ins Tierspital. Er sah sehr besorgt aus, die Pfote war wahrscheinlich gebrochen.

G. ist mein ältester Freund. In  der Schule saßen wir nebeneinander. Wir gingen miteinander in die Meditationsgruppe, waren in Rom und Loretto. G. war außerdem mein Coolnesstrainer. G. war damals der Inbegriff der Coolheit, immer gut gekleidet, auf dem Schulhof stand er im Mittelpunkt. Wenn er ein Mädchen ansprach, wusste er immer genau, was er sagen musste.

Ich dagegen war nicht cool. Ich war eher linkisch, trug eine dicke Brille und seltsame Pullover. G. beschloss, mich zu trainieren, damit ich so cool wurde, wie er. Ich kann mich nicht mehr gut erinnern, ob das Training erfolgreich war, ich weiß nur, dass es enormen Spaß gemacht hat.

G. und ich teilten auch die Liebe zu Hermann Hesse, zu guter Rockmusik und zum Skifahren. Öfter waren wir gemeinsam auf Skiurlaub und fuhren die verrücktesten Touren – wir waren jung und unsterblich.

Als G. aus dem Tierspital zurückkam, war er erleichtert – und ich noch mehr. Die Pfote des Hundes war nicht gebrochen, nur geprellt. Inzwischen hat das entzückende Tier nicht einmal mehr Angst vor mir.  Im Gegenteil, der Hund läuft schwanzwedelnd auf mich zu, wenn ich G. besuche. Sie – es ist eine Hündin namens Polly – hat mir offenbar verziehen, dass ich sie beschädigt habe.

Guido Tartarotti

Über Guido Tartarotti

Guido Tartarotti wurde, ohne vorher um Erlaubnis gefragt worden zu sein, am 23. Mai 1968 zur Mödlinger Welt gebracht. Seine Eltern sind Lehrer, und das prägte ihn: Im anerzogenen Wunsch, stets korrekt und dialektfrei zu sprechen, glaubte er bis in die Pubertät, Vösendorf heiße eigentlich Felsendorf. Das Gymnasium Perchtoldsdorf, wo es damals u. a. eine strenge Einbahnregelung für die Stiegenhäuser gab, verzichtete nach einigen Verhaltensoriginalitäten seinerseits nach der fünften Klasse auf seine weitere Mitarbeit. Also maturierte er in der AHS Mödling-Keimgasse. 1990 begann er in der KURIER-Chronikredaktion. 1994 wurde er Leiter der Medienredaktion, ein Jahr darauf auch der Kulturredaktion. Beide Positionen legte er 2004 zurück, um wieder mehr Zeit zum Schreiben zu haben.

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