Das Wort Herkunft ist beim Wein mehr Kitsch als Aussage

Es gibt Begriffe, die so inflationär verwendet werden, dass es schmerzt. Man bläst sie auf, bis ihnen ihre Bedeutung abhanden kommt.

Auch die Weinbranche bedient sich gerne dieser Worthülsen. „Herkunftscharakter“ ist so ein Fall: Jeder noch so austauschbare Allerweltswein, jedes noch so gestylte Gewächs besitzt Herkunftscharakter – glaubt man dem Marketingsprech. Natürlich weisen Weine Merkmale ihrer Umgebung auf, sind geprägt von Boden, Lage oder Klima. Weine von Schieferböden etwa schmecken anders, als von kalkhaltigen Lagen. Hochgelegene, kühle Rieden bedingen zumeist eine filigranere Stilistik als Rieden in der Ebene. Bestenfalls – so man es zulässt. Der Winzer redet in puncto Stil nämlich auch noch ein Wörtchen mit: Abhängig von seinem Willen, dem Können und seinem Gespür entscheidet er, wie im Weingarten und Keller gearbeitet wird – was getan oder gelassen wird. Möchte er bloß eine ruhige Kugel schieben oder auch mal Kante zeigen. Unzählige Variablen, die den Wein ebenso prägen wie seine Herkunft.

Das französische Wort terroir bezieht den Faktor Mensch mit ein – Herkunft hingegen riecht nach Heimatkitsch.

Das französische Wort terroir bezieht den Faktor Mensch mit ein – Herkunft hingegen riecht nach Heimatkitsch. Will man den Menschen dann auch noch weismachen, Weine besäßen so etwas wie den natürlichen Herkunftscharakter ihrer Anbauregion, wird es überhaupt gruselig. Wie etwa Bordeaux oder Toskana schmecken sollen, beeinflusst wohl nicht nur der Boden, sondern auch der Weinverband.

Christina  Fieber

Über Christina Fieber

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjournalistin in Wien.

Kommentare