Vea Kaiser

Fabelhafte Welt: Auf dem Weg, die Welt zu erobern

Warum fast alle Mitglieder einer Familie Rückenschmerzen bekommen, wenn das kleinste Großes im Schilde führt

Baby hat uns ausgetrickst. Wir dachten, es sei ein besonders sanftes Seelchen. Sieben Monate war es friedlich und genügsam. Dann schob es sich plötzlich mit den Händen rückwärts, Popsch hoch, Oberkörper hinterher und noch bevor ich diese süße Babygymnastik filmen konnte, stand es aufrecht. 

Baby quietschte, als wollte es sagen: Hallo Welt, da bin ich. Das war vor zwei Monaten. Nun ahne ich, was es wirklich mitteilen wollte: Endlich in der richtigen Position, um die Welt zu erobern. Der erste Feind, den Baby bezwang, war der Laufstall, in dem sein älterer Bruder oft, gerne und vor allem in Sicherheit spielte. Als wir Baby hineinhoben, schrie es, als sollte es darin verrotten. Kinderwagen, Hochstuhl, Autositz: Allen Vorrichtungen zur Kindsverwahrung hat es den Krieg erklärt. Manchmal essen wir am Boden, weil sich Baby so steif machen kann, dass ich es nicht in den Hochstuhl bekomme. Ist es auf den Beinchen, marschiert es mit großen Schritten los. Wir sahen es sogar schlafend in seinem Bettchen wandeln. Noch braucht es eine stützende Hand, um alle Wunschdestinationen zu erreichen. Weswegen die ganze Familie Rückenweh hat – mit Ausnahme meiner Oma. 

Baby ist halb so groß wie seine Urli, weswegen sie sich nicht so weit zu ihm hinunterbeugen muss. Die 82-Jährige und das 9-Monatige haben zudem ein ähnliches Tempo. Der Rest stöhnt. Neulich blieb die Nachbarin stehen, als wir im Vorgarten waren. Baby stapfte voran, Patschhandi ausgestreckt, Zeigefinger erhoben, ich im Schlepptau, breitbeinig watschelnd wie ein Pinguin, um das Kreuz zu entlasten. „Waren S’ schon äußerln?“, rief ich ihr zu. „Jaja. Ich spazier nicht so lang mit dem Fiffi wie der Kleine mit Ihnen.“ Da wurde mir bewusst, dass Baby IMMER Tempo und Strecke vorgibt. Ich lauf hinterher wie der Fiffi. Untertanen zu unterwerfen, gehört halt zur Welteroberung dazu.

Vea Kaiser

Über Vea Kaiser

Vea Kaiser ist die Autorin der Nr.1-Bestseller „Blasmusikpop“, „Makarionissi“ und „Rückwärtswalzer“. Ihre Bücher wurden vielfach preisgekrönt und in mehrere Sprachen übersetzt. Die studierte Altphilologin lebt mit Familie am Wiener Stadtrand und schreibt für die freizeit die wöchentliche Kolumne „Fabelhafte Welt“.

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