Sound of Music: Wie Salzburg zum Filmstar wurde

Einer der beliebtesten Weihnachtsfilme der Welt wurde vor 60 Jahren in Salzburg gedreht. Auf den Spuren eines Phänomens.

"The Sound of Music" machte die Mozartstadt vor allem in den USA bekannter als ihr berühmtester musikalischer Sohn und die eleganten Festspiele zusammen. Kitschig? Und ob.

Aber so spielt das Leben eben manchmal – und die hehre Aufgabe der Leinwand besteht nun mal auch darin, alles noch größer, schöner und dramatischer zu machen. Und wenn’s ein Paradebeispiel dafür gibt, dann ist es wohl der Film, den kaum ein Salzburger je gesehen hat – obwohl er einer der erfolgreichsten der Filmgeschichte ist. 

Denn "The Sound of Music" entthronte nicht nur das Drama "Vom Winde verweht", das seit 1939 den Einspielrekord hielt, mit geschätzten 1,2 Milliarden Zuschauern ist es heute noch einer der meistgesehenen Filme weltweit.

In den US-Kinos lief der Streifen insgesamt 147 Wochen lang, also beinahe drei Jahre –  das Eglinton Theatre in Toronto spielte ihn satte 142 Wochen und im Dominion Theatre in London durchbrach er die magische Schallmauer von drei Jahren.

Schloss Leopoldskron

Schloss Leopoldskron "spielte" im Film die Hinterseite der Trapp Villa. Das "Venezianische Zimmer" im Inneren des Schlosses wurde für die Ballszene in Hollywood nachgebaut

©Salzburg Global/Richard Schabetsberger

Die BBC hat "Sound of Music" später nicht nur zum Standard-Weihnachtsfilm im Vereinigten Königreich gemacht, sondern sogar in ihr nukleares Notfallprogramm aufgenommen. Falls es also je zu einem Atomkrieg kommt, wird in England, Wales, Schottland und Nordirland zu sehen sein, wie Julie Andrews in den Salzburger Bergen singt und tanzt. Ein beruhigender Gedanke ... 

Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch:

  • Überall beliebt, nur in Österreich und Deutschland nicht
  • Der echte Baron war gar nicht grantig
  • Auf den Spuren eines der berühmtesten Filme der Welt
Die Trapp-Filmfamilie mit Julie Andrews vor dem Hintergrund der Festung Hohensalzburg

Die Trapp-Filmfamilie mit Julie Andrews vor dem Hintergrund der Festung Hohensalzburg

©20TH CENTURY FOX / Mary Evans / picturedesk.com

Dass ein Film, der zu einem guten Teil dafür verantwortlich ist, dass durchschnittliche Amerikaner überhaupt wissen, dass Salzburg existiert und in Österreich keine Didgeridoo-Virtuosen zuhause sind, der auch 59 Jahre nach seiner ersten Ausstrahlung immer noch scharenweise Touristen ins Land bringt, gerade in Österreich auf wenig Gegenliebe stößt – ist eigentlich befremdlich. 

Was gefällt "uns" nicht daran? 

Die Aufnahmen sind eine echte Pracht, die Musik vom legendären Duo Rodgers und Hammerstein ("Oklahoma!", "The King and I") ist mehr als solide und Julie "Mary Poppins" Andrews in ihrer Paraderolle als Kindermädchen muss man doch einfach lieben. Ganz zu schweigen, dass man Charakterkopf Christopher Plummer tatsächlich als Gitarrero erleben darf. 

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Und sogar die Handlung ist Balsam auf die so verletzliche österreichische Seele. Der ehemalige Offizier, Witwer und Vater von sieben Kindern, Baron von Trapp, beweist sich als Mann mit Rückgrat, der sich nicht vom drohenden Nazi-Schrecken verbiegen lässt. Die junge Beinahe-Nonne Maria bringt als Gouvernante die Freude – und die Musik – zurück in sein Haus. 

Und am Schluss fliehen alle über den verschneiten Untersberg in die sichere Schweiz. Okay, das ist eine vielleicht etwas arge Abkürzung, aber an geografischen Ungenauigkeiten dieser Art wird die heimische Lethargie diesem Film gegenüber ja doch nicht begründet liegen. 

Was sagt Maria von Trapp?

Herrgott, sogar die echte Maria von Trapp und ihre Kinder fanden "Sound of Music" gelungen – obwohl sie nicht vom unglaublichen Erfolg profitierten, weil Maria die Filmrechte zuvor in Deutschland verkauft hatte.

Der Papa sei nicht so grantig gewesen wie im Film, erklärten die Kinder später in Interviews, und Maria gab zu, dass sie nicht ganz der wandelnde Sonnenschein war, den Julie Andrews auf die Leinwand brachte, sondern durchaus auch zu temperamentvollen Gewittern neigte.

Und ja, verliebt war sie nicht in den Baron, als er ihr einen Heiratsantrag machte. Sie liebte eigentlich die Kinder, nicht den Mann. Den lernte sie erst "nach und nach lieben", wie sie in ihren Erinnerungen schrieb. Dafür dann so, wie sie "nie zuvor oder danach jemanden geliebt hatte". 

Ein Rätsel also, das sich am ehesten dadurch erklären lässt, dass es bereits zwei deutsche Verfilmungen gab, nämlich die, derentwegen Maria von Trapp keine Rechte mehr an "ihrer" Story hatte. 

Frohnburg

Studentenwohnheim und Ort der Musik – ein bezauberndes Schlössl, die Frohnburg. Im Film war es die Vorderansicht der Trapp-Villa

©Franz Pritz / picturedesk.com

Das waren echte Heimatfilme aus den späten 1950ern, genau so, wie sie damals überaus populär waren. Da stand man einer amerikanischen Version ganz einfach skeptisch gegenüber, weil, was können die Amis schon über uns wissen?

Während die Beliebtheit von Heimatfilmen allerdings spätestens in den 70ern gegen null ging, alterte "Sound of Music" beinahe wie guter Wein. Und hat gerade jetzt, in Zeiten des grassierenden Musical-Booms, doch noch die Chance, die Herzen der Österreicher zu erreichen.

Der Weiher hinter dem Schloss Leopoldskron, das einladende Schloss Frohnburg, das im Film die Vorderseite der Trapp-Villa "gespielt" hat. Ein Ausflug in die Basilika St. Michael in Mondsee, wo der Baron und Maria – im Film – geheiratet haben, passt gerade im Winter ausgezeichnet. Das hübsche Werfen mit der berühmten Wiese heben wir uns dann für ein Picknick im Frühling auf. Dann aber mit Gesang: "Do-Re-Mi"!

Vielleicht sollte man ihm einfach einmal eine Chance geben, wenn er in den Weihnachtsfeiertagen – mit größtmöglicher Sicherheit – auf einigen TV-Kanälen läuft. Drei Stunden auf einer flaumigen Salzburger-Nockerl-Wolke können durchaus therapeutische Wirkung haben, das weiß immerhin auch die BBC.

Und zur Vorbereitung vielleicht eine winterliche Wanderung zu den Orten, die Julie Andrews und Christopher Plummer vor 60 Jahren besucht haben – warum sollte das ausschließlich ein Spaß für amerikanische Touristen sein?

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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