Otto Waalkes im Interview: "Ich spiele keinen Komiker – Ich bin einer"

Im Interview mit der verrät Otto, was ihn persönlich freut (und auch was ihn sorgt), wie sein Ottifant entstand, warum er sich fast einmal geprügelt hat und dass Sky du Mont vielleicht in einer neuen Serie mit ihm spielen könnte.

Er bringt zahlreiche Menschen zum Lachen – und muntert auch als Maler auf, denn er verewigt seinen berühmten Ottifanten in zahlreichen bestehenden Kunstwerken. Seine Filme sind in der breiten Öffentlichkeit bekannt und in „Ice Age“ verlieh er Sid seine Stimme – um nur einige von Otto Waalkes Meilensteinen zu beschreiben. Er begeistert sein Publikum seit vielen Jahrzehnten und hat Freude daran, seine Witze immer wieder neu zu erzählen. Für all das erhielt er bereits viele renommierte Auszeichnungen, nun wird er mit der KURIER ROMY in Platin geehrt.

Herr Waalkes, die Kurier Romy ehrt Sie dieses Jahr mit der höchsten Auszeichnung, der ROMY in Platin. Der erste Satz, der Ihnen dazu einfällt?
Otto Waalkes: Aber das kann ich doch gar nicht annehmen! Ich kann doch nicht annehmen, dass das schon alles gewesen sein soll.
Was ist „alles“ für Sie, was soll noch kommen?
Ich warte noch auf einen Oscar und den Literaturnobelpreis.

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Sie reihen sich mit der Platin-Romy ein in eine prominente Riege. Voriges Jahr zum Beispiel erhielt sie Erni Mangold.
Das beschämt mich. Frau Mangold hat ja in mehr als 60 Filmen mitgespielt – und ich bringe es gerade mal auf ein gutes Dutzend.
Es geht aber nicht um Quantität.
Aber qualitativ kann ich mich doch nicht an Frau Mangold messen. Ich bin kein Schauspieler.
Das sagten Sie auch einmal in einem Interview: „Ich bin ja kein Schauspieler, sondern nur der Otto.“ Wie ist dieser Otto: Was freut ihn, was sorgt ihn?
Ich wollte damit sagen, dass die Unterschiede zwischen dem öffentlichen und dem privaten Otto nicht gravierend sind. Ich spiele keinen Komiker – ich bin einer. Und mich freut, wenn das anderen genauso viel Spaß macht wie mir selbst. Wenn nicht, besorgt mich das.
Wenn Sie sich in drei Worten beschreiben, welche drei sind das?
Liberté, Egalité, Ostfriesenté.
Warum, meinen Sie, hat man sich für Sie als Preisträger entschieden?

„Bei mir ist der Schmäh gleich geblieben“, sagt Waalkes, „der Schmäh von gestern“

©EPA/DAVID HECKER
Da muss ich lange nachdenken – auf Anhieb fallen mir nämlich nur drei gute Gründe ein: Urteilskraft, Gerechtigkeitssinn und eine gewisse Vorliebe für Blödsinn.
Die Begründung ist, ich zitiere KURIER ROMY Juryvorsitzenden Georg Leyrer: „Otto Waalkes bringt Menschen zum Lachen, alleine das verdient, noch dazu derzeit, jeden Preis. Aber Otto Waalkes ist darüber hinaus in seiner Kunst unübertroffen: Seine Figuren sind Kult, seine Gags funktionieren auch Jahrzehnte später noch, die Präsenz des Vielarbeiters in Film und Fernsehen ist eine hoch erfreuliche Konstante im ganzen deutschsprachigen Raum.“
Ich bin jedes Mal selbst überrascht, wenn ich merke, dass das Verfallsdatum einer Nummer immer noch nicht erreicht ist. Die Konservierungsmittel kann ich nicht verraten, da ich sie selbst nicht kenne.
Wie kann man eigentlich mit ein und demselben Schmäh über Jahrzehnte Menschen begeistern?
Das müssten Sie eigentlich mein Publikum fragen. Entweder besitzt das die schöne Gabe des Vergessens, oder die Zeitlosigkeit meines Programms führt dazu, dass der alte Schmäh unter anderen Umständen wieder wie neu wirkt.
Hand aufs Herz: Werden Sie manchmal müde, dieselben Scherze zum zigtausendsten Mal zu erzählen?

„Der Kuss“, einmal anders: Auch in Gustav Klimts Gemälde kommt der Ottifant vor

©Otto Waalkes/WaalKiss/Otto Kunst GmbH
Überhaupt nicht. Mir macht es Spaß, so lange an diesen Scherzen zu feilen, bis sie nicht mehr zu verbessern sind – und Vollkommenheit ist schwer zu erreichen.
Welche Ihrer Scherze sind nicht mehr zu verbessern und damit vollkommen?
Nun, es gibt Gedichte und Songs, die sind so ausgereift, dass alle Reime, die nach den geltenden Reimgesetzen erlaubt sind, verwendet wurden: „Angeklagter! Ihnen wird zur Last gelegt, sie hätten mit dem Mast gefegt …“ und so weiter.
Wie entstand eigentlich Ihr berühmter Ottifant?
Der Legende nach wollte ich eigentlich ein Selbstporträt zeichnen, und als das misslang, verlängerte ich die Nase, verkleinerte die Ohren, vergrößerte die Augen – und fertig war der Ottifant. Nun ist an Legenden meist etwas Wahres, und es stimmt ja: Irgendwie sieht mir das Tierchen ähnlich. Seitdem ist der Ottifant mein treuester Wegbegleiter. Zum Dank versuche ich gerade, ihn in klassische Gemälde einzuschmuggeln und ihm so einen Platz in der abendländischen Kunstgeschichte zu sichern.
Bei welchen Gemälden ist das schon geglückt?
Bisher habe ich mir schätzungsweise hundert klassische Gemälde vorgenommen und mit Ottifanten zur Zeitgenossenschaft entstellt. Das reicht von Dürer bis Banksy und von da Vinci bis Dalí. Es können auch schon mehr als hundert sein.
Bekannt sind Sie auch für Ihren Fernsehmoment mit Ingrid Thurnher. Ganz ehrlich, war das so geplant?
Geplant war da gar nichts. Nein, es war reine Verzweiflung und zwar gleich doppelte: Frau Thurnher verzweifelte an meinen unseriösen Antworten – ich verzweifelte an ihren seriösen Fragen. Und in meiner tiefsten Verzweiflung bin ich einfach untergetaucht und habe den Rest der Sendung unter dem Moderationstisch verbracht. Wie Frau Thurnher diese Situation gemeistert hat, bewundere ich noch heute.
Bei Comedians heißt es, sie hätten privat oft auch ganz verletzliche Seiten. Wie ist das bei Ihnen?
Ich bin sehr leicht verletzt. Gegen rohe Gewalt musste ich mich schon in der Schule wehren, da war ich klein und schmächtig und das ideale Opfer für die stärkeren Kameraden. Vielleicht habe ich deshalb meine Form von Schlagfertigkeit und Komik entwickelt.
Was hat Sie zuletzt zum Lachen gebracht? Und wann kamen Ihnen die Tränen?
Zum Lachen bringt mich vieles, ich schaue mir gern die Auftritte von Kollegen an – Josef Hader zum Beispiel: Hader on Ice! Sehr komisch. Weinen tue ich seltener. Und an die Anlässe – wenn zum Beispiel ein alter Freund stirbt – denke ich ungern zurück.
Wen brachten Sie eigentlich als Allerersten zum Lachen?
Meine Eltern vermutlich. Mein Vater lachte besonders gern, mein Bruder tut es noch immer. Aber da profitierte ich natürlich vom Familien-Bonus. Im Kindergarten hatte ich dann erste Auftritte vor Publikum, und als mein Vater mir ein Puppentheater gebastelt hatte, nahm ich sogar Eintritt.

Seinen Ottifanten setzt Waalkes in klassische Gemälde ein, um ihn zu verewigen

©APA/DPA/Fabian Sommer
Wie viel Taschengeld kam da zusammen? Und was haben Sie damit gemacht?
Der Eintritt waren fünf Pfennig. Ich habe den Gewinn in Nervennahrung investiert: Lakritzschnecken, Brausepulver, Sahnebonbons und so weiter.
Bekannt sind Sie auch für Ihre Kappen. Wie viele besitzen Sie?
Nicht viel mehr als die, die ich gerade auf dem Kopf habe, und bestimmt weniger, als all die, die ich bereits verloren habe.
Wie sieht eigentlich ein typischer Tag im Leben von Otto Waalkes aus?
Einen typischen Tag gibt es eigentlich nicht, dazu mache ich zu viele zu unterschiedliche Sachen. Aber morgens frühstücke ich meist Müsli, dazu eine Tasse Tee, dann putze ich mir die Zähne, dann muss ich vielleicht ins Studio oder ich gehe Tennis spielen.
Sie sind nicht nur Komiker, sondern auch Sänger, Schauspieler, Autor. Dem Faultier Sid verliehen Sie in „Ice Age“ Ihre Stimme, er ging auf große Reisen und Abenteuer. Eine Parallele?
Ich glaube, wir, Sid und ich, sind gar nicht so abenteuerlustig – wir sind beide lustig, und daraus entstehen dann manchmal irgendwelche Abenteuer. Man muss das Abenteuer nicht suchen – man muss sich bloß bereithalten, wenn es einen findet.
Was war denn Ihr persönlich größtes Abenteuer bisher?
Ich bin weit gereist, aber es war in einer Weinstube in Rothenburg ob der Tauber, wo ein vom Alkohol beschwingter Herr mich verdächtigte, den Mantel seiner Gattin entwenden zu wollen – so nah bin ich einer Tracht Prügel nie wieder gekommen.

Zur Person

Otto Gerhard Waalkes (74), wird häufig nur „Otto“ genannt, wurde in Emden (D) geboren und gilt als einer der erfolgreichsten Vertreter des deutschen Humors. Er ist Komiker, Musiker, Schauspieler, Regisseur und Maler, seine berühmteste Figur ist der Ottifant, er drehte zahlreiche Kinofilme und in „Ice Age“ vertonte er Sid. Er gewann zahlreiche Auszeichnungen, darunter mehrere Bambis, aber auch den Bayerischen Fernsehpreis oder das Bundesverdienstkreuz. Nun erhält er den höchsten Preis der KURIER ROMY, nämlich Platin.

Komiker haben es in den vergangenen Jahrzehnten eher schwerer als früher – darüber schreiben Sie in Ihrer Autobiographie, in der Sie sich zur politischen Korrektheit äußern. Überlegen Sie sich heute eher zwei Mal, was Sie sagen, worüber Sie scherzen?
Zwei Mal zu überlegen ist schon der erste Schritt dazu, etwas nicht einmal auszusprechen. Ich fände es schade, wenn die Natürlichkeit darunter zu leiden hätte, da die besten Scherze oft spontan entstehen – siehe Frau Thurnher.
Netflix wollte sogar „Otto – der Film“ aus dem Programm nehmen, wegen der Szene mit dem Schwarzen.
Es gab damals eine gewisse Aufregung wegen einer alten Geschichte – „Otto – der Film“ ist bald 40 Jahre alt, und die Zeiten ändern sich halt, das wusste schon Bob Dylan. Doch was die Reaktion bei Netflix betrifft: Soviel ich weiß, liefen die Senderechte damals gerade aus, diesen Vertrag nicht verlängern zu wollen, war keine Heldentat. Derzeit gibt es bei Netflix „7 Zwerge“ und „Otto – der Film“ läuft bei Amazon.
Haben Sie eigentlich noch Kontakt mit Sky du Mont?
Immer wieder. Ich frage ihn bei fast jedem neuen Projekt, ob er nicht Lust hätte mitzumachen.
Und, hat er?
Er war mein Nebenbuhler im ersten meiner Filme, mein Gegenspieler in einem meiner letzten, und – wer weiß, vielleicht hat er ja bald wieder Lust in einer Serie mitzuspielen.
Arbeiten Sie an einer solchen Serie denn? Welche Projekte stehen an?
In den letzten beiden Jahren war manches nicht möglich, aber ich habe viel gemalt. Und die neuen Bilder werden im Sommer ausgestellt im Buchheim Museum am Starnberger See. Dazu gibt es einen neuen Katalog und im Herbst noch ein spezielles Bilderbuch. Außerdem, ja, denke ich über eine Serie nach und über meine erste Abschiedstournee – warum nicht?

Dick & Doof sowie Charlie Chaplin treffen in den Kunstwerken auf den Ottifanten

©EPA/DAVID HECKER
Wovon soll die Serie handeln?
Ich habe festgestellt, dass ich mich vor der Kamera am wohlsten fühle, wenn ich eine Figur verkörpern kann, die nicht ganz von dieser Welt ist. Und auch in dem Fall komme ich sozusagen aus der Unterwelt – aber den Namen nenne ich noch nicht – das heißt, einen doch: Rumpelstilzchen werde ich nicht spielen.
Welche Szene Ihres Lebens würden Sie gerne nochmals – und anders – drehen?
In jedem Film gibt es Szenen, die man heute anders oder besser machen möchte. Das ist eben das Schöne auf der Bühne, da kann man einen Fehler schon am nächsten Abend korrigieren.
Und Szenen Ihres Lebens? Welche würden Sie da nachträglich gerne „umschreiben“?
Die Frage führt ins Uferlose. Ich habe so viel falsch gemacht, vermutlich mehr, als ich selbst bemerkt habe, da mir so wenig übel genommen wurde.
Was war generell der Gipfel des Ruhms für Sie?
Schwer zu sagen. Aber als der Film „7 Zwerge – Männer allein im Wald“ in die Kinos kam, machten wir eine Promotiontour: die Darsteller alle in einem Bus. Der Andrang war gewaltig. So viele Autogramme, unbeschreiblich! Und als wir irgendwo nach der Vorstellung wieder im Bus saßen, erzählte der Fahrer, dass einige Fans sogar von ihm ein Autogramm gewollt hatten. Irgendwie dachte ich damals: mehr geht nicht.
Sind Sie wehmütig, wenn Sie daran denken?
Nein, gar nicht. Ich muss immer noch lachen, wenn ich dran denke. Außerdem bekomme ich doch die „Romy“ – ein neuer Ruhmesgipfel!
Früher, wenn Sie auf Tour waren, haben Sie Massen von Menschen live begeistert. Von vielen Künstlern hört man, sie hätten danach einen Adrenalinrausch. Sie auch?
Ob es das Adrenalin ist, weiß ich nicht. Aber nach einem guten Auftritt kann ich manchmal vor Glück nicht einschlafen.
Was hilft dabei?
Manchmal Kakao.
Sie sind nun 74 Jahre. Offene Frage: Haben Sie mit dem Älterwerden ein Problem?
Eigentlich nicht. Das Älterwerden klappt wie von selbst. Sich jung zu fühlen, ist etwas schwieriger.
Und wie meistern Sie das?
Auf der Bühne oder vor der Kamera kommt dies Gefühl fast von selbst, da kann ich mir den Staub der Jahre praktisch mühelos aus den Klamotten schütteln.
Wie verändert sich der eigene Humor eigentlich im Laufe des Lebens, oder bleibt der immer gleich?
Ich fürchte, bei mir ist er immer gleich geblieben, der Schmäh von gestern.
Schließlich, letzte Frage: Die Kurier- Romy-Statue nehmen Sie mit nach Hause. Wo werden Sie sie hinstellen?
Gleich neben den Platz, den ich für den Oscar freihalte, den ich nie bekommen werde.
Sie erwähnten vorhin, Sie seien bereit für eine Abschiedstour. Was kommt danach?
Nach der ersten Abschiedstour kommt natürlich die zweite.
Marlene Auer

Über Marlene Auer

Chefredakteurin KURIER-freizeit. War zuvor Chefredakteurin bei Falstaff und Horizont Österreich, werkte auch als Journalistin im Bereich Chronik und Innenpolitik bei Tages- und Wochenzeitungen. Studierte Qualitätsjournalismus. Liebt Medien, Nachrichten und die schönen Dinge des Lebens.

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