Krimi-Autorin Hartlieb: "Mir ist egal, wer der Mörder ist"

Bekannt wurde Autorin und Buchhändlerin Petra Hartlieb mit ihrem Bestseller-Roman "Meine wundervolle Buchhandlung". Jetzt erscheint ihr neues Buch "Freunderlwirtschaft". Ein Politkrimi.

Die freizeit trifft Petra Hartlieb in ihrer Buchhandlung im 18. Bezirk in Wien. Obwohl es ein heißer Badetag in den Sommerferien ist, herrscht dort reger Betrieb. Wie sieht sie sich, mehr als Autorin oder als Buchhändlerin? "Beides, es ist wirklich halbe-halbe. Zweieinhalb Tage bin ich im Geschäft, zweieinhalb Tage schreibe ich." Für ihr aktuelles Buch "Freunderlwirtschaft", sagt sie, habe sie viel mehr Zeit gebraucht als geplant. Denn wenn im Kriminalroman ein Minister stirbt, muss einiges beachtet werden.

Blicken wir kurz zurück. Sie haben einen Bestseller geschrieben, der in acht Sprachen übersetzt wurde. Was bedeutet Ihnen das heute? 

Sehr viel, das Buch hat mein Leben verändert und mich als Autorin etabliert. Das hat ja keiner geahnt, dass das so einschlägt. Und wenn du einmal so ein Buch geschrieben hast, kannst du es dir ziemlich aussuchen, was du danach machen möchtest. Der Verlag sagt dann: Schreib irgendwas, aber schreib schnell und das fand ich total überraschend.

Wenn man in Ihr Geschäft kommt, schaut es so aus, als läuft es sehr gut. Ist das so?

Die Frequenz ist relativ hoch, weil wir eine klassische Stadtteilbuchhandlung sind und die Leute wissen, dass sie von uns sehr gut beraten werden. Doch die Kombination aus extrem steigenden Kosten und gleichbleibendem Umsatz, bis ein bisschen sinkender Umsatz, ist langfristig nicht haltbar.

Wie sehr leidet der Buchhandel derzeit?

Wir mussten jetzt zum ersten Mal Personal abbauen, was uns sehr weh tut, weil es ja ein Familienbetrieb ist und uns alle sehr ans Herz gewachsen sind.

Was würden Sie sich wünschen? 

Dass Kunden – auch wenn wir das lieben – sich nicht nur für das schwierig zu findende Geschenk von uns beraten lassen, sondern auch die neue Donna Leon bei uns kaufen statt beim Online-Riesen. Dieses Bewusstsein wäre wichtig: Wer die kleinen Geschäfte will, sollte auch dort kaufen.

Donna Leon ist ein gutes Stichwort … 

Mein großes Vorbild, 34 Krimis … (lacht)

Vier haben Sie ja schon geschrieben. Mit „Freunderlwirtschaft“ sind Sie zum Genre zurückgekehrt. Wie würden Sie ihn als Buchhändlerin vermitteln? 

Das ist schwierig beim eigenen Buch, aber ich versuch’s: Es ist ein klassischer Kriminalroman und spielt in der österreichischen Politik, wo in regelmäßigen Abständen die Realität jede Fiktion überholt. Man kann es als klassischen Kriminalroman lesen, aber das greift fast ein bisschen zu kurz. Eigentlich ist es ein Politkrimi, der einem überspitzt vor Augen führt, was hierzulande alles möglich ist.

War es von Beginn an geplant, dass eine Frau ermittelt und eine andere unter Verdacht steht?

Das hat sich im Laufe des Schreibens so entwickelt. Und das ist mir wichtig: Es ist eine Frauen-Ermächtigungsgeschichte. Zwei Frauen, die nichts voneinander wissen, aber im Laufe des Buches eine Entwicklung durchmachen. Zwei Einzelkämpferinnen, die für die gleiche Sache kämpfen.

Die Frauen sind im Buch wesentlich sympathischer als die Männer ...

 ... ach geh, wirklich? Man kennt das ja, dass beherzte Frauen hinterher aufräumen, oder? Aber es gibt auch einen Mann, den ich sehr mag. Meine Lieblingsfigur, den Herrn Althuber. Er ist das Gegenstück zu den anderen Männern da drin.

Ohne zu viel zu verraten, aber man weiß bis zum Schluss nicht, was mit ihm passiert. Ist der Eindruck richtig, dass es hier eine zweite Folge geben wird? 

Er ist ja zwangsbeurlaubt, steckt seine Zehen in den Sand in Italien, und ja, es wird einen zweiten Fall geben. Ich habe einige Fäden gezogen, die dazu führen. Die Geschichte der Kommissarin, des Herrn Althuber, da gibt es noch viel Stoff, also sind wir wieder bei Donna Leon ...

Braucht es auch Mut, einen Krimi über die österreichische Politik zu schreiben?

Das hab ich mir noch nicht überlegt. Ich gehe immer sehr naiv an Stoffe heran. Ich hatte einfach Lust, mal wieder einen Kriminalroman zu schreiben. Weil das für mich eine coole Form ist, um Themen zu bearbeiten. Es muss einen Toten geben, es muss einen Kommissar geben und Ermittlungsarbeit. Man hat ein klares Schema, in das man sein Thema reinbastelt. Und in den vergangenen Jahren ist ja immer wieder etwas passiert, wo man sich dachte, das könnt’ ein Krimi sein. Also dachte ich mir, ich könnte ja mal einen Minister in so eine schicke Penthouse-Wohnung legen.

War das Ihre Anfangsidee?

Ja, das war sie wirklich. Aber wie viel Recherchearbeit das ist, das hatte ich mir vorher nicht so richtig überlegt.

Was wäre denn, wenn Sie es sich genauer überlegt hätten?

Dann hätte ich doch den Gärtner als Mörder genommen. Denn wenn ein Politiker tot ist, ermittelt eben nicht nur die Kriminalpolizei, sondern es kommt gleich der Staatsschutz ins Spiel. Allein das Protokoll, das zu beachten ist, wenn ein Minister tot ist: Wann wird der Kanzler informiert? Wer spricht bei der Pressekonferenz zuerst? Da gibt es so viel zu beachten. Ich wusste vorher nicht, wie aufwendig das in der Recherche ist.

Ihre Buchhandlung spielt wie in allen Büchern eine Rolle. Die Kommissarin wohnt über dem Geschäft und ist mit der Besitzerin befreundet. Charmante Werbung? 

Na ja, das ist der Wunsch des Verlags und inzwischen ist das ein Running Gag. Die Leser erwarten es schon, dass die Buchhandlung vorkommt. Es hat aber auch damit zu tun, dass ich nie aus dem 18. Bezirk rauskomme. Es ist also ein bissl eine Zeitfrage. Hier kenn ich mich aus. Ich muss eh so viel recherchieren, und warum soll ich dann die Kommissarin in Favoriten wohnen lassen.

Wie groß ist der Druck, es nochmals als Bestseller-Autorin zu schaffen? 

Du hoffst bei jedem Buch, dass es auf die Bestsellerlisten kommt, dass alle Leute es lieben, es ein Megaerfolg wird. Ich sehe aber als Buchhändlerin viele tolle Bücher, die einfach untergehen, ich bin da demütig.

Petra Hartlieb

Autorin Petra Hartlieb

Petra Hartlieb wurde 1967  in München geboren und ist  in Traun (OÖ) aufgewachsen. Gemeinsam mit ihrem Mann führt die Autorin eine Traditionsbuchhandlung in Wien Währing. Über ihr  Leben mit dieser Buchhandlung hat sie 2014 einen Bestseller geschrieben, der in acht Sprachen übersetzt wurde. Außerdem eine Wien-Berlin-Krimireihe  und  einen historischen Roman-Zyklus aus dem Wiener Cottage. 

Ist „Freunderlwirtschaft“ für Sie auch ein Weg, um Kritik an der österreichischen Politik zu üben? 

Auf jeden Fall. Die korrupte Seite der Politik ist mir zutiefst zuwider. Ich möchte einfach verstehen, wie jemand so wird. Du wirst ja nicht als korrupter Politiker geboren. Wo ist der Punkt, an dem man falsch abbiegt, auf den eigenen Vorteil schaut, sich kaufen lässt? Mich interessiert, wo die Freunderlwirtschaft ein Problem wird, wo diese Politiker in ihren Maßanzügen herkommen und wie sie sozialisiert sind. Was hatten die für Träume und was passierte dann? Das weiß ich natürlich nicht, aber das ist ja das Schöne, sich das auszudenken. Wie der Leser das dann interpretiert, bleibt ihm überlassen.

Man sucht beim Lesen ständig nach Hinweisen aus der Realität: verschollene Computer, Chat-Protokolle ... 

Das ist gut so (lacht). Die Auflage ist groß.

Wie und wo haben Sie dafür recherchiert, dass am Ort des Verbrechens alles plausibel ist?

Ich war überall. Gespräche mit Gerichtsmedizinern, ehemaligen Anwälten, Ministeriumsmitarbeitern, Journalisten, Polizisten, ich hab ja auch ein gutes Netzwerk (lacht). Es war mir wichtig, dass alles passt. Ich will, dass ein Kriminalpolizist, der das Buch in die Hände kriegt, nicht auf Seite 30 sagt: „So ein Blödsinn, so fangen keine Ermittlungen an.“ Oder so kann der nicht fallen. So sehr ich den „Tatort“ mag, da passt das oft nicht, das würde man sich in einem Buch nie trauen.

Apropos Tatort, auch der findet sich in Ihrem Buch. Wie sehr mögen Sie ihn?

Ich liebe den „Tatort“, mein Mann liebt ihn noch mehr. Sonntagabend heißt bei uns Tatortschauen.

Wer weiß zuerst, wer der Mörder ist? 

Mein Mann weiß das immer schon nach zehn Minuten. Mich interessiert mehr die Psychologie der Figuren. Mir ist egal, wer der Mörder ist. Also insofern ist es völlig absurd, dass ich Krimis schreibe.

Ab 13. August im Buchhandel: Petra Hartlieb, „Freunderlwirtschaft“ (DuMont), 400 Seiten, ab 18 Euro.  
Buchpräsentation: 10. September, 20 Uhr, Kulisse. Moderation: Florian Scheuba, Musik: Clemens Schaller

©kurier/Martina Berger
Annemarie Josef

Über Annemarie Josef

stv Chefredakteurin KURIER freizeit. Lebt und arbeitet seit 1996 in Wien. Gewinnerin des Hauptpreises/Print bei "Top Journalist Award Zlatna Penkala (Goldene Feder)" in Kroatien. Studium der Neueren Deutschen Literatur in München. Mein Motto: Das Leben bietet jede Woche neue Überraschungen.

Kommentare