Ich war ein Kinderstar: Was ich bis heute aus der Zeit mitnehme

Ich habe als Kind den großen Traum einer Musik-Karriere gelebt. Wie ich das geschafft habe, inspiriert mich bis heute.

Als wir Kinder waren, gab es kaum Grenzen in unserem Denken. Damals reichte allein unsere Fantasie aus, um unsere eigene Realität zu erschaffen: Papa ist der stärkste Mann der Welt und Mama kann Schmerzen heilen; das Christkind haben wir beim Geschenke bringen zufällig immer verpasst und unsere geliebten Spielsachen waren für uns lebendig. Auf die Frage "Was willst du werden, wenn du groß bist?", schoss uns damals auch sofort eine Antwort aus dem Mund: Schauspieler, Pilot, Fußballspieler, Tierarzt,... Und, hat sich euer Traumberuf verwirklicht oder hat euch auch jemand gezwungen, irgendwann "aufzuwachen"?

"Ich schaff’ das sicher!"

Manche Wünsche kann man sich sehr wohl erfüllen – jeder von uns. Dabei brauchen wir nur einen Blick auf unsere Kindheit zu werfen. Zur Verdeutlichung, nehme ich euch mit auf eine kleine Zeitreise in meine Vergangenheit. Wie weit man durch kindliche Naivität und damit verbundenem Tatendrang kommen kann, vergessen wir als Erwachsene immer wieder:

Solange ich mich zurückerinnern kann, hatte ich einen besonders großen Traum: Ich wollte Sänger werden. Schon als Kleinkind sang ich ständig und konnte mir die Songtexte im Radio besser merken als meinen eigenen Namen. In meinem Kinderzimmer malte ich mir täglich aus, wie es wohl sein wird, wenn ich endlich auf großen Bühnen stehe. Fest entschlossen, wollte ich Musik zu meinem Lebensinhalt machen.

Ich meldete mich selbstständig bei allen möglichen Gesangswettbewerben an, stahl jeder Restaurant-Band das Mikrofon, sang in jedem Schultheaterstück mit und verpflichtete jeden Besuch bei uns zu Hause, mein einstündiges Wohnzimmerkonzert mitzuerleben.

Zugegeben, im Nachhinein betrachtet, war Klein-Lex sicher unfassbar nervig und ich verstehe, warum meine Eltern ständig versucht haben, mir neue Hobbys anzugewöhnen. Doch mein Hunger nach Musik konnte kein Ball, Spielplatz oder Gameboy gleichwertig stillen.

Nachdem ich so gut wie jede Bühne gestürmt hatte, die sich nicht vor mir verstecken konnte, wurde mein Luftschloss schließlich Realität. Ein Video einer meiner Auftritte landete in den richtigen Händen. Gemeinsam mit einer Handvoll anderer Kids wurde ich zur Teilnahme der bekannten TV-Talentshow "Kiddy Contest" eingeladen. Während der Fernsehsendung wurde mir humorvoll die Frage gestellt, ob ich mir das mit der großen Gesangs-Karriere nicht noch einmal überlegen wolle – die Antwort kam selbstsicher, wie aus der Pistole geschossen: "Nein, ich brauche mir nichts zu überlegen, ich schaff’ das sicher!"

Zwar gewann ich den Wettbewerb nicht, doch für mich lag der Sieg woanders: Ich hatte es in kürzester Zeit aus meinem Kinderzimmer ins Fernsehen geschafft. Meine Zielstrebigkeit musste nicht lange auf Belohnung warten: Die CD unserer TV-Songs wurde mit 3-fach-Platin ausgezeichnet. Es folgten etliche Anfragen für diverse Solo-Auftritte, und nun hatten mich auch Plattenfirmen auf ihrem Radar. Kurz darauf bekam ich meinen ersten Plattenvertrag bei einem großen Label.

Knapp daneben ist auch vorbei?

Von Stilrichtung und einer musikalischen Identität verstand ich in diesem Alter noch recht wenig. Ich wollte einfach für Menschen singen. Schnell wurde ich mit vier anderen Jugendlichen zusammengewürfelt und befand mich für einige Jahre als Mitglied einer Teenie-Band. Zu fünft arbeiteten wir mit den Produzenten von Christina Stürmer zusammen. Unser Album voller "Austrohits für coole Kids" landete in den Charts und wir traten über längere Zeit wöchentlich in ganz Österreich auf. Während andere ihre Jugend an Wochenenden mit ihren Freunden verbringen, stand ich auf der Bühne, war im Tonstudio, hatte TV-Auftritte und Interviews.

Das Ganze war nach kurzer Zeit schon so zur Routine geworden, dass ich ganz vergessen hatte, dass alles ganz schnell wieder vorbei sein könnte. Und so kam es schließlich auch, als wir zu alt für eine Teenie-Band wurden. Ruckartig war für mich in dieser Branche Schluss. Der Plattenvertrag lief aus und ich durfte mich in einem neuen Alltag zurechtfinden, den ich so vorher nicht kannte.

Ich war kein Kind mehr, also sagten mir die Leute plötzlich ständig bei jedem Gehversuch in die Branche zurück: "Du bist jetzt erwachsen, also sei realistisch." Waren meine Erfolge als Kind nicht realistisch?

Schließt sich eine Tür, öffnet sich eine andere

Mein Selbstbewusstsein war durch das Scheitern angeknackst und ich traute mich längere Zeit nicht mehr auf eine Bühne. So ganz konnte ich die Musik aber nicht loslassen. Ich schrieb Texte für andere Künstler, wechselte von einer Garagenband in die nächste und borgte meine Stimme diversen DJs für ihre Tracks.

Mittlerweile habe ich begriffen, dass mein kindlicher Mut mich damals an meine Ziele gebracht hat. Einfach tun, anstatt sich mit Denken zu bremsen. Keiner klopfte an meine Tür und zerrte mich auf die Bühne. Ich habe mich somit langsam wieder ans Mikrofon herangetastet, erfolgreich an einigen Talentwettbewerben teilgenommen, meinen musikalischen Stil gefunden sowie Demos aufgenommen. Seit einiger Zeit trete ich nun unter meinem Künstlernamen Lex Wolff auf. Und siehe da: Ich bin wieder im Gespräch mit einigen Leuten aus der Branche. Hört ihr mich also bald im Radio? "Ich schaff’ das sicher!"

Ihr denkt: Meine Geschichte hat nichts mit euren Zielen zu tun? Hat sie eben doch. Auch ihr habt euch als Kinder an neue Sachen herangetraut und seid dabei mit einer träumerischen Naivität durchs Leben gestapft.

Wenn ein Kind gehen lernt, fällt es oft hin – dennoch steht es immer wieder auf und versucht es erneut. Können wir dadurch nicht auch von Kindern oder sogar uns selbst lernen? Wir hatten alle schon unsere kleineren oder größeren Erfolge. Ich kann zwar diesen Spruch "Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen" nicht mehr hören, aber wenn wir uns tatsächlich an unsere Triumphe, als an unsere Verluste zurückerinnern und auf diese konzentrieren – vielleicht gelingt es uns dann besser, uns nach dem Fall aufzuraffen. Schritt für Schritt, bis wir schließlich laufen.

Alexander Gutmaier

Über Alexander Gutmaier

Redakteur bei freizeit.at. Der gebürtige Wiener mit dem Spitznamen "Lex" studierte Werbung & Marktkommunikation und machte sich danach auf seinen beruflichen Weg in die großen Redaktionen Österreichs. Dabei war er bereits für Lifestyle- & Mode-Magazine als auch im TV-Bereich tätig. Zu seinen Leidenschaften zählen Musik, Kochen sowie jegliche Art, sich selbst herauszufordern - besonders, wenn er dadurch Dinge zum ersten Mal machen kann.

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