Albert Hammond Jr im Interview: "Zuerst trifft mich die Melodie"
Mit seiner Band „The Strokes“ ist Albert Hammond Jr. seit mehr als 20 Jahren unter den Stars im Rock-Business. Aber auch alleine ist der Sohn eines der profiliertesten Songwriters der 70er erfolgreich.
Was für eine Karriere! Mit 18 schließt Albert Hammond Jr. sich der Band einiger Freunde an und mit 21 schießt gleich die Debüt-CD „This Is It“ absolut durch die Decke. Platin und Doppel-Platin praktisch weltweit, The Strokes sind mit einem Schlag im Kreis der ganz Großen. Bald darauf tritt Albert Hammond Jr. allerdings auch in die Fußstapfen seines Vaters, genau, Mr. „It Never Rains in Southern California“, und wird solo als Songwriter aktiv. „Melodies On Hiatus“ heißt seine neueste CD, und sie ist ein mitreißendes melodiöses Feuerwerk.
Im freizeit-Interview spricht er über frühen Erfolg und die Vorzüge des Älterwerdens, aber auch über die Beziehung zu seinem Vater und wie es ist, als Sohn eines vielfach preisgekrönten und mittlerweile geadelten Musikers und Komponisten aufzuwachsen.
Mr. Hammond, täusche ich mich, oder strahlen Ihre neuen Songs Seventies-Vibes aus, und zwar in dem Sinn, dass Sie Poprock mit Mut zur Melodie machen, wie er damals üblich war – und heute oft nur schwer zu finden ist.
Das habe ich so nicht geplant – aber es stimmt natürlich, die haben das Genre damals erschaffen. Was Musiker wie Bowie & Co. damals gemacht haben, war Pop. Und viele Künstler der 60er und 70er sind ein großer Einfluss für mich.
Manchmal scheint es, heute haben manche Musiker beinahe Angst vor Melodien.
Ja, wobei ich persönlich gar nicht unbedingt darüber nachdenke, ob etwas melodiös oder vielleicht zu melodiös ist. Es ist einfach schön, einen Song zu erschaffen, der mir ein Gefühl vermittelt wie die Songs, mit denen ich aufgewachsen bin.
Wie gehen Sie an die Arbeit, wenn Sie einen neuen Song schreiben?
Zuerst „trifft“ mich eine Melodie. Es ist tatsächlich so, sie schlägt förmlich bei mir ein. Das ist auch, was mich am meisten berührt, wenn ich andere Songs höre. Als ich jung war, wusste ich oft nicht, worüber da gesungen wurde – aber trotzdem liebte ich den Song. Und so ist es jetzt auch, zuerst kommt die Musik, und die bedingt dann den Text.
Wer hat all die fantastischen Gitarren auf der CD eingespielt? Vor allem das Solo auf „Old Man“ – ich habe gehört, Billy-Idol-Gitarrist Steve Stevens war mit im Studio.
(lacht) Nein, das war ich schon selbst. Steve hat nur das Solo von „Thoughtful Distress“ aufgenommen.
Respekt! Weil wir gerade bei „Old Man“ waren: In dem geht’s Ihnen darum, dass man manche Dinge erst besser erkennt, nachdem Jahre vergangen sind, man älter geworden ist. Stimmt das?
Ist es eine wissenschaftliche Tatsache? Das weiß ich nicht. Aber ja, das ist die Story, die ich hier erzähle. Jemand spricht mit seinem Vater ... Die Idee dahinter ist: Man ist an keiner Stelle seines Lebens wirklich in der Position, über jemand anderen zu urteilen. Das geht nur retrospektiv, denn es ist die Zeit, die deine Perspektive bestimmt. Wird man zu dem Menschen, den man sich vorgestellt hat? Aber die Perspektiven, die Betrachtungswinkel werden mehr, je älter man wird. Und so versteht man auch immer ein bisschen mehr ...
Sie sind ja jetzt selber Vater, Ihre Tochter ist zwei Jahre alt. Hat das Ihre Perspektiven verändert?
Ich hab daran nicht wirklich gedacht, als ich den Song geschrieben habe ... Aber ja, natürlich hat sich viel in meinem Leben verändert, nicht nur die Perspektive. Ich weiß nicht, ob es im Leben etwas Verrückteres, aber auch Schöneres gibt, als ein Kind zu haben. Besonders natürlich in der Gesellschaft, in der wir jetzt leben, in der Familien weit verstreut leben, und nicht ein ganzer Clan zusammenhilft, um sie großzuziehen. Und ja, dein bisheriges Fundament explodiert, und du baust etwas komplett Neues auf.
Sie haben mit 18 Jahren angefangen, bei den Strokes zu spielen und mit 21 eine der meistverkauften Platten des Jahrzehnts herausgebracht. Wie fühlt es sich an, so jung einen derartigen Erfolg zu haben?
Es hat mich jedenfalls nicht so stark getroffen oder gar umgehauen. Es wurde uns allen einfach nicht so wirklich bewusst zu dieser Zeit. Es war ja auch nicht so, dass wir sofort Stadion-Touren gemacht hätten ... Wir spielten Club-Gigs und größere Hallen, und wir liebten es ganz einfach. Von uns aus hätte das immer so weitergehen können. Heute fühle ich, dass wir da oben mit den ganz großen Bands sind. Und ich glaube, es ist gut, dass wir dieses Gefühl damals noch nicht hatten. Denn es ist kein gutes Gefühl ...
Warum?
Ruhm hilft dir in keiner Weise weiter. Du freust dich im ersten Moment darüber und bist auch dankbar – aber in Wahrheit ist das Ganze doch irreal, es macht keinen Sinn. Mit der Zeit und dem Druck werden deine Gefühle instabil, du verwandelst dich allzu leicht in ein Arschloch.
Ihr Vater war in den 70ern mit Hits wie „It Never Rains in Southern California“ und „Free Electric Band“ sehr berühmt. Was bei uns weniger bekannt ist: Er hat auch Hits für andere geschrieben, „The Air That I Breathe“ für die Hollies, „One Moment in Time“ für Whitney Houston, wahnsinnig erfolgreiche Songs für Tina Turner, Leo Sayer, Chicago, Celine Dion, Starship, Heart, Living in a Box, Ace of Base – ich kann gar nicht alle aufzählen ... Ist Ihr Talent für Melodien genetisch?
Hm, darüber hab ich ehrlich gesagt, noch nie nachgedacht ... Aber ja, es stimmt natürlich, mein Vater ist ein fantastischer Komponist. Und ich bin mit seiner Musik aufgewachsen, überall bei uns zuhause war Musik. Und es waren so viele verschiedene Musiker bei uns zu Gast, mit denen er gearbeitet hat...
Es muss eine ungewöhnliche Kindheit gewesen sein ...
Ja, aber wenn du ein Kind bist, denkst du einfach, na ja, das ist mein Dad, ganz egal, was er macht, für dich ist das nichts Besonderes. Also du denkst ja auch nicht, wow, mein Dad ist ein Arzt! Oder was auch immer. Das ist dir egal. Es sind ja „nur“ deine Eltern ... (lacht) Aber es war für mich einfach immer schön, seine Stimme aus der Stereoanlage zu hören. Rückblickend war es selbstverständlich eine wirklich coole Kindheit. All die Leute, die bei uns vorbeischauten und zu Besuch waren, die im Nebenzimmer Musik gemacht, gemeinsam Songs geschrieben und Witze gerissen haben. Es war sicher anders als bei den meisten Neun- oder Zehnjährigen.
Wollten Sie damals schon Musiker werden?
Nein, auf keinen Fall. Wissenschaftler, Forscher – ja, und dann natürlich Pilot! So Kinderfantasien eben. Dann wollte ich Dad beim Veröffentlichen seiner Musik helfen, also als Verleger oder so, Geschäftsmann. Wahrscheinlich hat das irgendwer beim Abendessen erwähnt, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich selbst auf so etwas gekommen bin ... Und dann ging Dad mit mir zu dem Buddy-Holly-Musical „Buddy“, da war ich vielleicht zwölf. Und es mag komisch klingen, weil ich ja immer schon von Musik umgeben war, aber bei diesem Musical dachte ich zum ersten Mal, wie toll es doch war, Musik zu machen, auf einer Bühne zu performen. Da realisierte ich auch: „Hey, das ist ja genau, was mein Dad macht!"
Da haben Sie sich also für ein Leben auf der Bühne entschieden?
Na ja, sagen wir: Ich war infiziert. Aber ich hab’s nicht wirklich forciert, wahrscheinlich war mir einfach nicht klar, wie ich es anstellen soll. Ich war etwa 15, als ich andere Bands fand, die mich dazu motivierten, selbst aktiv zu werden. Guided By Voices waren da als Initialzündung sehr wichtig.
Guided By Voices, große Band, leider total unterschätzt!
Ja, völlig unterschätzt! Und durch sie war ich mir sicher: Das werde ich auch machen. Ich mochte die Buddy-Holly-Songs auch noch immer, aber vielleicht war mir bei denen einfach nicht klar, wie ich sie in die Gegenwart übertragen könnte. Bei Guided By Voices war es dann plötzlich wie eine Offenbarung.
Man muss allerdings sagen, Sie hatten als Teenager einen sehr eigenständigen Musikgeschmack.
Ja, ich war der totale Weirdo. Zuerst Buddy Holly, Roy Orbison und The Platters, dann eben diese Indie-Band aus Dayton, Ohio, die sich erfolgreich gegen jeden größeren Erfolg gewehrt hat ...
Eigentlich hätten Sie in den frühen 90ern Nirvana-Fan sein sollen, oder?
Ich hab mir damals weder Nirvana noch Pearl Jam oder eine der anderen neuen, populären Bands angehört. Ich hab natürlich mitbekommen, was für ein Riesen-Ding 1992 Nirvanas „Nevermind“ war. Aber es war eben nicht MEIN Ding. Später hab ich sie dann allerdings schon auch für mich entdeckt. Irgendwie hatte ich bei solchen Dingen immer ein merkwürdiges Timing ... Als mir die Misfits plötzlich gefallen haben, war ich Mitte 30 und hatte vorher NIE etwas von ihnen gehört! Und das wäre eigentlich auch eine Band für Teenager gewesen ... (lacht)
Und welche Musik hören Sie aktuell?
Hah, auf diese Frage bin ich perfekt vorbereitet! Ich stelle nämlich für eine britische Radiostation gerade eine Playlist zusammen. Das sind Songs, die ich derzeit höre – allerdings waren es auch schon zwischen 16 und 18 meine Lieblingssongs. Neben Guided By Voices sind da die Cars vertreten, John Lennon mit der Plastic Ono Band, die Talking Heads ... Es ist fast surreal, wie sehr mich diese Musik noch immer packt. Was ich außerdem höre, ist, wie Sie sich wahrscheinlich denken können, auch nicht rasend aktuell. Jemand hat mir kürzlich „Leave Me Alone“ von New Order empfohlen, und das ist aktuell einer meiner Lieblingssongs. Außerdem „I Love The Sound Of Breaking Glass“ von Nick Lowe – oder das Streich-Quartett von Philip Glass aus dem Film „Mishima“, das ist einfach genial. Und Thin Lizzy und Phil Lynott solo oder Frank Blacks erstes Solo-Album ...
Gar nichts, was derzeit in den Charts läuft?
Das ist keine Absicht. Es gibt nur einfach so viel zu hören, was ich noch nicht kenne! Manches von den Sachen, die jetzt angesagt sind, entdecke ich wahrscheinlich später ...
Haben Sie jemals mit ihrem Vater gemeinsam Songs gespielt oder aufgenommen?
Nicht wirklich ... Wir haben in musikalischer Hinsicht kaum eine Beziehung zueinander ... (macht eine kurze Pause, räuspert sich) Nicht jeder Mensch, der sehr gut in dem ist, was er tut, ist auch ein guter Lehrer. Aber er hat mich in anderer Hinsicht gut darauf vorbereitet, was auf mich zukommen wird.
Hat er sich gefreut, dass Sie auch Musiker geworden sind?
Er war, wenn ich mich richtig erinnere, nicht unbedingt begeistert. Er war eher besorgt ... Was natürlich Sinn macht, aus der Sicht eines Vaters. Und wenn jemand so erfolgreich war wie er, weiß er auch, wie viel Glück da im Spiel sein muss. Und das Risiko will er für sein Kind eben nicht ... Ich meine, er kam aus Gibraltar – ausgerechnet, von allen Plätzen der Erde! Und hat von dort eine Weltkarriere geschafft. Vielleicht hat er andere Träume gehabt, was seine Zeit als Performer im Rampenlicht anbelangt – aber er hat es doch geschafft, sein ganzes Leben im Musikgeschäft erfolgreich zu sein. Das ist schwer zu übertreffen. Ich weiß tatsächlich nicht, ob ich überhaupt annähernd so viel erreicht habe wie mein Vater.
Sie haben auch persönlich eine Beziehung zu Österreich, hab ich gelesen.
Ja, die Großeltern meiner Mutter, die aus Argentinien kommt, stammen aus Norditalien und Österreich.
Kommen Sie mit Ihrer neuen Platte auch live nach Österreich?
Ich würde sehr gerne, aber bisher ist nichts geplant. Eine Welt-Tour ist ein wahnsinniger organisatorischer – und finanzieller – Aufwand. Aber vielleicht finde ich eine Lösung.
Dann hoffen wir einmal – und ich wünsche Ihnen einen schönen Tag in Kalifornien. Regenfrei, wie ihn Ihr Vater besungen hat.
(lacht) Danke ... Wissen Sie, der Text ist eigentlich eine Metapher. Es geht nicht um Regen, sondern um Erfolg. Den findet man in Kalifornien erst lange nicht, aber wenn, dann schüttet es so richtig.
(freizeit.at)
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Über Andreas Bovelino
Redakteur bei KURIER freizeit.
Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.
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