Wie Opa und Oma als Granfluencer jetzt die sozialen Medien erobern
Wie Senioren die Welt von Instagram, Tiktok & Co. begeistern, warum sie im Trend liegen und auch Junge das super finden.
Sie: trägt Statement-Brille, Glockenhose, Oversized-Blazer. Er: gerne mal tarnfarbenes Field Jacket, Baseballkappe, Silbersneakers. Das japanische Paar winkt fröhlich in die Kamera, führt tänzelnd sein "Outfit des Tages" vor. Direkt vor ihnen läuft ihr Golden Retriever schwanzwedelnd durchs Bild. Ein ganz normaler Styling-Clip, in dem zwei Influencer ihren Followern die tägliche Mode-Inspo aufs Handy senden? Ja – allerdings sind die zwei Trendsetter keine gewöhnlichen Instagram-Stars.
Aki Koichi und Suzuki Kim aus Südkalifornien sind stolze 71 und 73 Jahre alt. Mit ihren täglichen Mode-Videos verzücken sie auf der Plattform eine Million Fans, auf Tiktok beinahe 400.000. Sie sind "Granfluencer" (ein Hybrid aus "grandparents", also Großeltern, und "Influencer") – und die erobern gerade das Internet.
Seele statt Rabatte
"Granfluencer strahlen Authentizität aus, die Jüngeren im Vergleich fehlt", weiß Satyam Kashyap, Geschäftsführer der Social-Media-Agentur Hypehunters, über den Trend. "Sie brechen das stereotype Bild, das von Senioren herrscht und beeindrucken und motivieren mit ihrer Aktivität in betagtem Alter." Die Freude, die sie dabei ausstrahlen, ist ein entscheidender Faktor für ihre Popularität. "Die Botschaft ist, das Leben ist schön", verriet Koichi einem US-Sender. "Das Leben ist kurz, also warum vergnügst du dich nicht?"
Diese Botschaft kommt an. Gerade bei den Jungen. Die gelackte wie unrealistische Inszenierung perfekter Lebenswelten in den sozialen Medien ist nämlich immer weniger gefragt. Es fehlt an Seele. Dafür werden die Nutzer mit Werbung, bezahlten Kooperationen und Rabattcodes bombardiert. "Die Mehrheit ist inzwischen abgehärtet und spürt, wenn Inhalte bloß dazu dienen, etwas verkaufen zu wollen", weiß Experte Kashyap. "Bei Granfluencern hingegen merken sie, dass diese einfach ein Hobby ausleben."
Cooler King, fitte Oma
Erika Rischko ist eines dieser Phänomene. Sie macht es sich mit 84 Jahren nicht im Schaukelstuhl bequem, sondern begeistert als Fitness-Influencerin mit Planks, Sit-ups und Hantelstemmen. Mit 1,6 Millionen Fans ist sie ein Tiktok-Star. Auf die Idee dazu kam während des Corona-Lockdowns 2020 ihre Tochter. Mit Sport begann Oma Erika erst spät – mit 55. "Im Fitnessstudio treffe ich jeden Tag Freunde und Bekannte", sagt sie. "Durch den Sport vereinsame ich nicht."
Auch Andrés García-Carro wurde dank der Familie bekannt. Seine Enkelin postete Fotos des 91-Jährigen – heute wird er mit seinem sonnengegerbten Filmstar-Gesicht für Werbung von Zara oder Rolex gebucht. Als Granfluencer lässt sich nämlich auch gut Geld verdienen. "In Österreich weniger, international ist diese Nischenpräsenz aber ein gutes Geschäft", so Kashyap. Und der "King" selbst erklärt: "Ich bereue, diese Karriere nicht schon 20 Jahre früher begonnen zu haben."
Günther Krabbenhöft wird dagegen gern als "Hipster-Opa" tituliert. Hut, Mascherl, dreiteiliger Zwirn – der 79-Jährige gilt als Stilikone. Berühmt wurde er, als ein Tourist ein Foto von ihm machte, das dann viral ging. Ein stereotypischer Opa ist auch er nicht. Aufgewachsen am Bauernhof des Großvaters, als Kind im Dorf gemobbt, frequentiert der Berliner heute die coolsten Techno-Clubs. Das Berghain ist sein "Tempel der Lebensfreude". Krabbenhöft postet aber nicht nur Partys. Er predigt Lebensfreude, den Wert von Freundschaften oder Mut zum Übermut: "Ich fülle mein Leben täglich neu mit Demut, Liebe und Neugier."
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