Was Freundschaften stärkt und wann es dafür eine Therapie braucht

Freundschaften fördern die Gesundheit. Was sie stärkt, zeigt eine neue Studie. Plus: Der neue Trend zur Freundschaftsberatung.

Freundschaften machen glücklich: Das zeigt eine groß angelegte Harvard Studie bereits seit 87 Jahren - eine der längsten Untersuchungen zum Thema "Lebenszufriedenheit". Ihr aktueller Leiter Robert Waldinger, Psychiater und Achtsamkeitsforscher, betont, dass die Qualität von Beziehungen als einer der stärksten Prädiktoren für ein langes und glückliches Leben gilt. Menschen, die Freunde und enge Vertraute haben, leiden seltener an Herzproblemen und chronischen Krankheiten.

Freundschaft – ein Anker in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft. Trotzdem leidet sie. Politische und gesellschaftliche Spaltung wirken belastend, wie etwa die Studie "Polarisierung in Deutschland und Europa" im Jahr 2023 zeigte. Die Bereitschaft, Freundschaften abzubrechen, steigt. In den sozialen Medien regieren Wut, gegenseitige Anschuldigungen und nachträgliche Besserwisserei. 

Gleichzeitig sehnen sich Menschen danach, Freundschaft zu erhalten und zu verbessern. Eine neue Studie rund um das Team von Menelaos Apostolou, veröffentlicht in Evolutionary Psychological Science, identifizierte sieben Schlüsselstrategien, die genutzt werden, um wertvolle Freundschaften, zu stärken. 

Diese sind: 

  • Unterstützung bieten
  • Interaktionshäufigkeit erhöhen
  • regelmäßige Kommunikation aufrechterhalten
  • Geschenke machen
  • Vertrauen zeigen
  • Übereinstimmung sowie familiäre Bindungen schaffen

Das Anbieten von Unterstützung war die am häufigsten genutzte Strategie. 

Unterschiedliche Lebensentwürfe

Manchmal hakt es trotzdem – nichts geht mehr. Für diesen Fall gibt's neuerdings "Freundschaftsberatung", auch "Freundschaftstherapie", wie sie etwa in der Praxis von Simone Engler angeboten wird: "Menschen kommen meist dann zu mir, wenn sie merken, dass sich eine nahe Person zurückgezogen hat und nicht mehr in Kontakt bleiben mag – ohne, dass klar ist, warum", erzählt die psychologische Beraterin und angehende Psychotherapeutin. 

Oft entsteht das wegen persönlicher Veränderungen, mit denen der jeweils andere nicht mitkann. "Zum Beispiel geht es um Themen wie Mutter- oder Vaterschaft, während die andere Person Single ist und keine Kinder hat. Unterschiedliche Lebensentwürfe, die zu einem Gefühl von Ausgrenzung führen können", sagt sie. Wichtig sei es, sich anzuschauen und zu verstehen, wie es dazu kam, was sich in welchem Zeitraum wie verändert hat und vor allem, was es jetzt braucht.

Manchmal werden FreundInnen aber auch zu "Sorgenkindern", was in einen ungesunden Kreislauf aus "Geben und Nehmen" führen kann. "Dann ist es wichtig, gesunde Grenzen zu ziehen, in dem Sinne, als ehrlich ausgesprochen wird, dass man nicht die Kraft hat, den anderen die ganze Zeit zu stützen und zu tragen."

Berät bei Freundschaftskrisen: Simone Engler

©Miriam Mehlmann

Umgekehrt geht’s darum, sich nicht von der Freundin oder vom Freund therapieren zu lassen. Auch hier sind Grenzen angesagt, im Sinne von: "Misch dich da bitte nicht ein, ich bin schon erwachsen." Engler berät außerdem in Krisenfällen, etwa, wenn es im Freundeskreis zu Krankheiten oder Trauerprozessen kommt. "Die Idee ist, sich gemeinsam beraten und stärken zu lassen."

Dass es auch in Freundschaften zu Krisen kommen kann, ist für die psychosoziale Beraterin Cornelia Schäfer wenig erstaunlich: "Das ist ähnlich wie bei Paaren und hat oft auch ähnliche Gründe. Man ist in puncto Entwicklung vielleicht nicht synchron, erwartet vom anderen zu viel. Manchmal fehlt es an Achtsamkeit und Wertschätzung." Da sei es wichtig, genau hinzuschauen, um herauszufinden, was man sich von dieser Freundschaft konkret möchte und ob die damit verbundenen Vorstellungen realistisch sind.

"Sich dafür von außen Hilfe zu holen, kann sehr sinnvoll sein, vor allem, wenn beide an den Punkt kommen, an dem es stockt. Um dann zu verdeutlichen, was verletzt und was stört, damit das wertschätzend besprochen werden kann", sagt Schäfer. 

Wann es Zeit ist, zu gehen

Gute Freundschaften basieren auf einem guten Miteinander und auf Beziehungsfähigkeit. "Es geht darum, eine Verbindung herzustellen und Verbundenheit zu spüren, die gemeinsam trägt und dazu führt, dass sich Menschen zugehörig fühlen können. In der Beratung achte ich darauf, sich diese Muster anzuschauen: Wie geht jemand mit einer anderen Person in Verbindung?"

Manchmal sei es aber trotzdem sinnvoll, sich aus einer Freundschaft zu lösen, so Simone Engler: "Zum Beispiel, wenn Grenzen nicht eingehalten und überschritten werden oder wenn ich merke, dass sich trotz mehrerer Klärungsversuche nichts verändert und ich mehr Energie investiere, als ich bekomme. Und auch, wenn ich beschämt werde, ist es richtig und wichtig, Freunde ziehen zu lassen."

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

Kommentare