Freundschaft plus Sex: Die Beziehungsform findet immer mehr Anhänger

Freundschaften können von Sex profitieren – ein neues Buch gibt jetzt Aufschluss über den neuen Trend.

Ashton Kutcher und Natalie Portman prägten 2011 den Begriff „Freundschaft Plus“. Die beiden spielten in der amerikanischen Romantikkomödie "No Strings Attached" zwei Freunde, die über sexuelle Umwege die große Liebe ineinander finden. Auf Deutsch übersetzt bedeutet der Filmtitel "Keine Bedingungen" – das Übersetzungsbüro machte daraus „Freundschaft Plus“. 

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Seitdem gibt es einen Begriff für Menschen, die mit ihren Freunden  sexuell aktiv werden, aber keine Paarbeziehung führen. Der Film war also Vorreiter für ein neues Beziehungsphänomen. Denn laut Studie von Elite Partner hat bereits jeder vierte unter 30-Jährige Erfahrungen mit der Freundschaft Plus gesammelt.  Der deutsche Autor und Philosoph Ole Liebl spricht im Interview über die Revolte in unseren engsten Beziehungen.

Ihr Buch ist ein Plädoyer für die Freundschaft plus Sex. Sie stellen die  Freundschaft aber in den Vordergrund? Warum?

Viele Menschen denken, dass die Freundschaft Plus nicht funktionieren kann oder nur der Übergang zu einer romantischen Partnerschaft  ist. Aber das stimmt so nicht zwangsläufig,  gerade in der jüngeren Generation wird diese Beziehungsform gelebt. Sie bringt natürlich ein  gewisses Konfliktpotenzial mit. Deshalb ist es wichtig, die Freundschaft in den Vordergrund zu stellen. Es heißt ja nicht Sex Plus, sondern Freundschaft Plus.

Warum ist die Freundschaft Plus beliebt bei Jüngeren? Wollen sie keine ernsthafte Paarbeziehung eingehen? 

Da stelle ich gleich die Gegenfrage: Sind Freundschaften unverbindliche Beziehungen? Nein, natürlich nicht. Freundschaften zählen zu den verbindlichsten Beziehungen, die Menschen eingehen können. Außerdem haben Menschen gerne Sex mit Menschen, denen sie vertrauen und die sie gut kennen. Dazu können auch Freundinnen und Freunde zählen. Denn Freundschaften sind Orte, an denen man Vertrauen, Sicherheit und Zugewandtheit bekommt. Und: Es ist ein Trend, weil es heute möglich ist. In den 1970er-Jahren waren Männer und Frauen kaum in einer Freundschaft. Die Zeit eröffnet eben auch die Möglichkeit einer Freundschaft Plus.

Was unterscheidet die Freundschaft Plus von einer Paarbeziehung? 

In meiner Auffassung gibt es mehrere Dimensionen, die eine Partnerschaft von einer Freundschaft unterscheiden. Sex ist nicht mehr der alleinige Faktor, sondern auch ein geteilter Alltag, gemeinsame Zukunftsgedanken sowie die Einbeziehung beider Familien. Wenn diese Faktoren zusammenkommen, würde ich persönlich von einer Paarbeziehung sprechen, auch wenn jeder Einzelne der Punkte auch in Freundschaften vorkommen kann.

Der deutsche Autor Ole Liebl hat auch Philosophie studiert und widmet sich in seinem Sachbuch "Freunde lieben" dem neuen Trend

©Privat

Soll man spezielle Regeln festlegen? 

Ja, ich glaube, das ist wichtig. Wir haben für diese Art Beziehung erst seit 13 Jahren einen Begriff. Es ist etwas Neues und es gibt noch keine Vorbilder. Wenn eine solche Beziehung funktionieren soll, ist es wichtig, Regeln zu setzen. Man sollte mehr über seine Erwartungen sprechen. Lieber einmal zu viel darüber reden als zu wenig. Die Freundschaft Plus fordert alte Beziehungsnormen, überkommene Geschlechterverhältnisse und emotionale Automatismen heraus und stellt alles infrage.

Funktionieren mehrere Freundschaft Plus-Beziehungen gleichzeitig? 

Es ist genug Liebe für alle da. So wie es möglich ist, mehrere Freundschaften zu führen, so kann man auch mehrere Freundschaften Plus führen.  Die Regeln dafür muss jeder für sich selbst aufstellen. Ob die Beziehung beendet wird, wenn eine andere Person dazukommt, muss man individuell entscheiden.

Wird man nicht zwangsläufig zum Paar, weil man sich durch das Zusammensein verliebt? 

Das kann natürlich passieren. Es ist ja auch schön, wenn aus einer sexuellen Freundschaft eine Beziehung entsteht. Meine eigene Partnerschaft ist immerhin aus einer Freundschaft Plus entstanden. Die Zuneigung kann aber freundschaftlich bleiben, weil Menschen keine Liebesmaschinen sind, bei denen sich immer automatisch eine Romanze einstellt. Liebe ist auch  – zumindest in Teilen – eine Entscheidung, ob man sich fallen lässt.

Wo sehen Sie die Grenzen?

Die Liebe kann schön, aber auch schmerzhaft sein. Wenn sich in einer Freundschaft Plus eine Person unsterblich verliebt und die andere Person nicht, entsteht ein Machtgefälle und es wird problematisch. Es kommen neue Komponenten hinzu: Handelt  die Person nur mehr in der Absicht, den anderen nicht zu verlieren, und geht sie damit über ihre Grenzen, um den anderen noch stärker an sich zu binden? Da findet die Freundschaft Plus ihre Grenze. Denn dann kann man nicht mehr überzeugend von einer Freundschaft sprechen.

Kann man befreundet bleiben, wenn die Freundschaft Plus zu Ende ist? 

Ja, dazu gibt es auch eine Studie. Die angenehme Botschaft ist, es ist genau Halbe-Halbe. Bei der Hälfte wird der Kontakt weniger oder abgebrochen und bei der anderen Hälfte wird die Beziehung sogar besser.  
 

Über Brigitte Biedermann

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