Molden & Seiler: "Es war Liebe auf den ersten Ton“

Ernst Molden und Austropop-Star Christopher Seiler als neues Musikduo. Wie sie zueinander fanden und wie es nun mit Seiler und Speer weitergeht.

Ein überraschendes Musikduo hat sich zusammengetan, und das ist richtig gut. Auf der einen Seite Ernst Molden, genialer Songwriter, der österreichisches Idiom mit amerikanischem Blues fusioniert und Wien und seiner Welt regelmäßig ein Denkmal setzt. Auf der anderen: Christopher Seiler, Teil der immens erfolgreichen Seiler und Speer. Und mit ganz viel erdigem Soul eines bewegten Lebens in der Stimme. Zusammen singen sie US-Klassiker auf Wienerisch. Ihre erste Single „i sauf“ ist eine Übertragung von Folklegende Mary Gauthiers „I Drink“. Am 15.9 bringen sie das großartige Album „De zwidan zwa“ raus. Obwohl sie eigentlich gar keine Grantscherm sind.

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Mit eurem Debütalbum seid ihr jetzt als Duo offiziell fix zsam. Habt ihr euch gesucht und gefunden?

Ernst Molden: Das Ganze hat sich sehr schicksalshaft angefühlt. Der einzige Mensch, der mir je auf Instagram eine Nachricht geschickt hat, war der Seili. Und das in einer Phase, in der meine Frau mir riet, das Handy meiner geistigen Gesundheit zuliebe endlich wegzulegen. Er hatte mir geschrieben, ihm taugt, was ich mache. Mir taugte, was er macht. Also haben wir uns getroffen zum Musizieren. Und das war magisch.

Vom ersten Moment an?

MOLDEN: Es war Liebe auf den ersten Blick – und auf den ersten Ton auch. Ich liebe Seilis wunderschöne Soul-Stimme. Sie ging mit meiner perfekt zusammen. Als wäre eine Tür eingerastet.

SEILER: Mir hatte es vor allem Ernstls Album „Foan“ angetan. Das hab ich immer beim Laufen gehört.

MOLDEN: Interessante Laufmusik! Immerhin sind auf dem Album ausschließlich depressive Down-tempo-Nummern zu hören. (lacht)

SEILER: Vielleicht war ich ja auch nur Walken.

Wann fiel die Entscheidung, nicht nur einen Song, sondern ein ganzes Album aufzunehmen?

MOLDEN: Eigentlich sofort. Seili hat mich ins Studio eingeladen. Das darf man sich jetzt nicht als Westcoast-Studio mit Bodyguards und Pool vorstellen. Eher als Zinshaus im siebten Bezirk, in dem man auch einen Mutzenbacher-Film drehen könnte. Im Lichthof haben wir dann ein paar Zigaretten geraucht. Und danach gleich losgelegt, mit „en hefn drin“, meiner Wiener Version von Jimmie Rodgers „In The Jailhouse Now“. Damit hatten wir das Nugget gefunden, von dem an wir wussten, dass wir auf Gold gestoßen waren.

Am Album sind Neuübersetzungen von Klassikern zu hören. Welcher ist Ihr liebster?

MOLDEN: Mein persönlicher Höhepunkt ist das Lied „Gligg“, das der Seili geschrieben und komponiert hat. Es ist bestechend in seiner hoffnungslosen, seligen Traurigkeit über ein persönliches Schicksal. Traurig zwar, aber es leuchtet einem so stark in die Seele. Das Lied hat dieselbe Qualität wie die Klassiker, steht vielleicht sogar drüber.

Molden sagt: „Er ist eine Seele von einem Menschen.“ Seiler sagt: „Vielleicht bin ich ja auch nur ein Hochstapler“ 

©DANIELA MATEJSCHEK
Christopher, was hat es mit Ihrem Lied „Gligg“ auf sich?

SEILER: Das Lied bedeutet mir sehr viel. Und dass es jetzt endlich den Weg auf Tonband gefunden hat. Ich habe es schon 2017 geschrieben, auf das damalige Album von Seiler und Speer hat es aber nicht raufgepasst. Zum Glück habe ich es für dieses Album wiederentdeckt. Es ist traurig und trotzdem pure Freude für mich. Das lässt sich wahrscheinlich über das ganze Leben sagen.

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Das Erzählende im Songwriting, wie es im Great American Songbook oft zu hören ist und eingewienert auch auf der Platte, die gescheiterten Existenzen, Randfiguren, Nebenschauplätze, stillen Helden – das ist auch Ihnen nicht unbekannt.

SEILER: Definitiv. Ich kenne das Milieu. Wo ich herkomme, besteht es zu 90 Prozentaus gescheiterten Anti-Helden, Gaunern und Püchern. Ich glaube, dass diese traurigen, verwahrlosten Verlierer-Typen die interessantesten sind, um über sie zu erzählen. Wenn etwas auf Hochglanz poliert ist, interessiert es mich nicht.

MOLDEN: Menschen in existenzieller Bedrängnis stehen charakterlich nackter da. Sie zeigen ein Gesicht, über das sich schreiben lässt. Typen mit Einfamilienhaus und zwei Autos, die mit ihrem Leben zufrieden sind, interessieren mich als Künstler nicht.

Molden & Seiler

Molden & Seiler

Ernst Molden, geboren 1967 in Wien. Erst Polizeireporter, seit 1993 Liedermacher. Auftritte mit Willi Resetarits, Hans Theessink, Ursula Strauss. Christopher Seiler, geboren 1987 in Wöllersdorf. Hits wie „Ham kummst“ als Duo Seiler und Speer. Mit u. a. Paul Pizzera Teil der Gruppe Aut of Orda.

Welches Lebensgefühl verbindet ihr mit euch als Duo?

MOLDEN: Jenes aus dem Film „O Brother, Where Art Thou?“ von den Coen-Brüdern. Vor allem die Szene, in der George Clooney und Co. sich falsche Bärte aufkleben, auf einer Gouverneursparty einschleichen und als Band ausgeben. Mir gefallen diese Existenzen, die jeden Moment scheitern könnten, aber dann doch mit einer guten Idee durchkommen. Wir zwei brauchen auch nicht mehr als eine Gitarre und ein Lied. Und mir gefiel die Idee, mit dem wahrscheinlich bekanntesten Popstar dieses Landes, der Stadien füllt und eine gewisse Maschinerie hinter sich hat – dass der hinter diesem Zirkus einfach die Türe zumacht, sich zu mir aufs Bankerl setzt, wir singen und müssen fast weinen, weil’s so schön ist.

Christopher, Sie sind ein österreichischer Popstar, als Seiler und Speer sind Ihre Konzerte ausverkauft. Spüren Sie noch das existenzielle Feeling jener Zeit, als Sie keiner gekannt hat?

SEILER: Ja, weil Erfolg nie mein Motor war. Ich wollte mir vor allem künstlerisch etwas beweisen. Wenn man aus meinem Milieu kommt, legt man den Nimbus des Proleten später sehr schwer wieder ab. Prolet meint ja immer auch, dass einer intellektuell nix drauf hat. Deswegen wollte ich es den bösen Zungen, die das behaupten, aber auch mir selbst, immer zeigen.

Haben Sie erreicht, was Sie wollten?

SEILER: Ich agiere künstlerisch mittlerweile so vielschichtig, dass ich niemandem mehr etwas beweisen muss. Ich bin sehr glücklich damit, wo ich jetzt stehe. Und ein Projekt wie dieses mit Ernst ist für mich eigentlich wie Urlaub. Es geht mir einfach gut dabei, die Energie ist total positiv. Geht es mir einmal nicht so gut, neige ich dazu, zum Alkohol zu greifen. Und dieses Bedürfnis verspüre ich bei unseren Konzerten als Duo absolut nicht. Es geht einzig um den Moment der Kunst, der da gerade stattfindet. Musik pur und das ganz ohne Confetti-Regen und pompöser Show.

Ist das ein Freiraum, den Sie sich als Duo mit Molden erspielen, abseits gewohnter Pfade?

SEILER: Absolut. Ich war immer schon ein Typ, der mehrere Dinge zugleich machen musste. Mir wird sonst sehr schnell fad, wenn ich immer im selben Trott festhänge. Deswegen musste ich einst ja auch meinen bürgerlichen Beruf als Verwaltungsassistent beim Magistrat aufgeben. Das wäre kein Leben für mich gewesen.

Als Duo namens Aut of Orda, gemeinsam mit Paul Pizzera, sind Sie eher kabarettistisch unterwegs.

SEILER: Paul ist ein Freund von mir. Ich mache überhaupt nur noch mit Freunden Musik, etwas anderes hat gar keinen Sinn. Wenn Kunst entsteht, ist das so ein intimer Moment, das sollte nie des Geldes wegen passieren. Das nur nebenbei. Das Projekt mit Paul ist jedenfalls etwas ganz anderes. Wobei ich es gar nicht kabarettistisch interpretiere. Es geht mehr darum, jedes Genre auszuprobieren, auf das ich Lust habe. Mit dem Ernstl kann ich zwar auch alles machen, aber keine Techno-Nummer. (lacht)

Manchmal muss man einfach nur fragen. Ernst, hätten Sie Lust auf Techno?

MOLDEN: Ich befürchte, ich wäre kein guter Techno-Musiker. Dazu bin ich zu sehr im Blues und Folk verankert. Mir gefällt Musik, die nicht aus der Steckdose kommt. Die live passiert, ob mit Band oder zu zweit. Aber ich höre mir auch andere Genres an. Jeder sucht sich das, wo er sich wohlfühlt. Bei mir sind es halt eher zwei Fideln und eine Gitarre.

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Eure Selbstbeschreibung gipfelt im Albumtitel „Die zwidan zwa“. Hat euch der Grant zueinander finden lassen?

MOLDEN: Ehrlich gesagt ist die größte Lüge am Album der Titel. (lacht) Wir zwei sind eigentlich die ganze Zeit gut aufgelegt. „Die Zwidan zwa“ ist einfach ein Doppelstabreim, der gut klingt.

Würden Sie sagen, dass Seiler der Poesie der Lieder das Erdige gibt und sein Soul ihnen die Bodenhaftung bewahrt?

MOLDEN: Für mich war die Begegnung mit dem Seili insofern auch schicksalhaft, weil drei Wochen zuvor Willi Resetarits gestorben ist. Wir haben 17 Jahre lang zusammen Musik gemacht, waren sehr eng befreundet, und er war ein bisschen wie ein zweiter Papa für mich. Als er starb, war ich wahnsinnig traurig. Ich wusste nicht, wie es weitergeht. Auch für mich, ob ich je wieder Spaß an der Musik haben kann. Nach dem ersten Treffen mit Seiler konnte ich zum ersten Mal nach Wochen wieder lächeln.

Das Treffen hat etwas in Ihnen reaktiviert.

MOLDEN: Weil er – sorry, ich muss das jetzt sagen – einfach eine Seele von einem Menschen ist. Und wenn er singt, gelingt ihm ähnliches wie dem Willi Resetarits, wenn auch mit einem anderen Sound. Wenn ihm ein Lied taugt, zieht er es sich an wie eine neue Haut und vermisst sie mit seiner herzerwärmenden Soul-Stimme. Bei Seiler und Speer war mir das gar nicht so stark aufgefallen. Aber mit seiner Stimme klingt er, als hätte er früher mit Booker T. & the M.G.’s oder in den Stax-Studios aufgenommen. Er geht tief in die Songs hinein mit seiner Stimme und das berührt mich sehr.

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Christopher, was sagen Sie angesichts solcher Komplimente und wenn Sie in die Nähe von Willi Resetarits gerückt werden?

SEILER: Ich bin gerührt. Wie immer, wenn der Ernstl und ich zusammen sind. Ich sage danke. Aber vielleicht bin ich ja auch nur ein riesengroßer Hochstapler. Der immer nur so tut, als könne er das alles.

Ernst, wie wichtig ist das Erbe von Willi Resetarits, der so unerwartet und viel zu früh starb, für Sie?

MOLDEN: Es ist wichtig, dabei anzumerken: Niemand kann sein Erbe sein. Seine Wirkung ging weit über die Musik hinaus. Er war ein Scheinwerfer der Seelenwärme und der bewussten Zivilgesellschaft. Er war für das Land so wichtig, weil er eben nicht – wie so viele – Teile der Menschen ausgeschlossen, sondern immer eingemeindet hat. Dieses Erbe kann keiner von uns übernehmen. Höchstens wir alle zusammen. Es gibt aber etwas, in dem Seili dem Willi gleicht.

Verraten Sie es uns.

MOLDEN: Es braucht beim Singen Wahrhaftigkeit. Nichts zu behaupten, sondern zu sein, obwohl man sich verwandelt. Authentizität ist ein blödes Wort, denn jeder Künstler verändert sich, sobald er eine Bühne betritt. Es geht vielmehr darum, kein Schauspieler zu sein, sondern trotzdem der Mensch zu bleiben, der man in sich drinnen ist, in dem Moment, in dem man ein Lied singt. Viele müssen sich dafür sehr anstrengen. Aber er kann das.

Letzte Frage: Christopher, mussten Sie Bernhard Speer Ihren Ausflug erklären?

SEILER: Wir sind nicht verheiratet, also musste ich da nicht viel erklären. Ich habe ihm gesagt, dass das für mich jetzt das Richtige ist. Vieles hat Platz in meinem Leben. Alles ist gut. Mit Seiler und Speer geht es weiter. Ich genieße, wo ich derzeit stehe und freue mich auf alles, das noch kommt.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Redakteur KURIER Freizeit. Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine, Gründer einer PR- und Medienagentur und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Stil und mehr. Interviews vom Oscar-Preisträger bis zum Supermodel, von Quentin Tarantino über Woody Allen bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Mag Nouvelle Vague-Filme und Haselnusseis.

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